Beleidigung rechtfertigt Kündigung nicht in jedem Fall

Bezeichnet ein Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen an seinem Arbeitsplatz als schlimmer als in einem Konzentrationslager, so ist darin eine grobe Beleidigung zu sehen, die grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Eine Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers kann allerdings dennoch zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen. (Hessisches LAG, Beschluss vom 3. September 2008 - 8 TaBV 10/08)

Der Fall

Ein 55jähriger Arbeitnehmer war seit 35 Jahren bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Er war Betriebsratsmitglied und als Schwerbehinderter anerkannt. Im Zuge einer Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten über die nach seiner Ansicht menschenunwürdige Arbeit erklärte er, dass in dem Betrieb Arbeitsbedingungen wie in einem Konzentrationslager herrschten. Hiervon fühlte sich der Arbeitgeber grob beleidigt und beantragte die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung beim Integrationsamt und beim Betriebsrat. Das Integrationsamt erteilte hierzu seine Zustimmung. Der Betriebsrat verweigerte diese mit der Begründung, dass der Arbeitnehmer sich für seine Äußerung glaubhaft entschuldigt habe und in einer Stresssituation gewesen sei. Der Arbeitgeber stellte daraufhin bei Gericht den Antrag, die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung zu ersetzen.

Die Entscheidung

Der Antrag hatte keinen Erfolg.

Zwar stellt der Vergleich des Arbeitsplatzes mit einem Konzentrationslager eine grobe Beleidigung dar, die auch nicht von der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt ist. Die Vorgesetzten des Arbeitnehmers mussten diese Äußerung als Vergleich mit SS-Schergen und menschenverachtenden Unmenschen verstehen. Dennoch fällt die Abwägung im Einzelfall zugunsten des Arbeitnehmers aus. Aufgrund seiner langjährigen beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit und seiner glaubhaften Entschuldigung ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund seines Alters als gering einzuschätzen wären.

Das Fazit

Eine fristlose Kündigung setzt zunächst voraus, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist als unzumutbar erscheint. Des Weiteren ist die außerordentliche Kündigung nur dann wirksam, wenn sie auch unter Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer und der Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall hat das Gericht die für den Arbeitnehmer sprechenden Gründe als gewichtiger eingestuft, obwohl auch gute Gründe für eine Kündigung vorlagen.

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