Vergleichbarkeit von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten

Auf die vom LAG Hamburg vorgelegte Frage hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass kein Verstoß gegen europäisches Recht vorliegt, wenn nach dem Kündigungsschutzgesetz zwischen teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern bei der sozialen Auswahl, die der Arbeitgeber bei der betriebsbedingten Streichung eines Teilzeitarbeitsplatzes vorzunehmen hat, unterschieden wird. Die generell fehlende Vergleichbarkeit von teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern im Rahmen der Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 KSchG ist europarechtskonform. Somit ist die Richtlinie 876/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen durch das KSchG nicht verletzt.

Das Bundesarbeitsgericht hatte noch am 12. August 1999 entschieden, dass es von der betrieblichen Organisation abhängig ist, ob bei der Kündigung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer Vollzeitbeschäftigte und bei der Kündigung vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer Teilzeitbeschäftigte in die Sozialauswahl einzubeziehen sind. Hat der Arbeitgeber eine Organisationsentscheidung getroffen, aufgrund derer für bestimmte Arbeiten Vollzeitkräfte vorgesehen sind, so kann diese Entscheidung als so genannte freie Unternehmerentscheidung nur darauf überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Liegt danach eine bindende Unternehmerentscheidung vor, sind bei der Kündigung einer Teilzeitkraft die Vollzeitkräfte nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen (BAG, Urteil vom 12. August 1999, Aktenzeichen 2 AZR 12/99).

Vor dem EuGH wurde insbesondere die Frage behandelt, ob eine derartige Differenzierung zwischen teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern im Sinne der Sozialauswahl nicht als mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bewerten werden kann.

Die Klägerin war als Teilzeitbeschäftigte 30 Stunden pro Woche bei der Beklagten mit der Bearbeitung des Inkassogeschäfts betraut. Aufgrund einer Reduzierung des Volumens ihres Auslandsgeschäfts legte die Beklagte das Inkassogeschäft mit dem bislang getrennt bearbeiteten Dokumentengeschäft zusammen. Dies war mit einer teilweisen Neuverteilung der jeweiligen Aufgabenbereiche verbunden. Wegen des damit verbundenen Personalabbaus kündigte die Beklagte der Klägerin betriebsbedingt. Die Klägerin rügte insbesondere, dass im Vorfeld der betriebsbedingten Kündigung keine Sozialauswahl zwischen den Beschäftigten vorgenommen worden sei, die die gleiche Tätigkeit verrichteten. So habe die Arbeitgeberein die mit 30 Stunden pro Woche beschäftigte Klägerin nicht mit den Arbeitnehmern verglichen, die in Vollzeit mit 38 Stunden pro Woche tätig gewesen seien. Hinzukomme, dass die Klägerin vor dem Ausspruch der Kündigung bereits erklärt hatte, statt in Teilzeit auch in Vollzeit zu arbeiten.

Die Entscheidung des EuGH bestätigt das Urteil des BAG vom 12. August 1999. Für den Kündigungsschutzprozess bedeutet dies folgendes: Der Arbeitgeber muss zum einen das Vorliegen des dringenden betrieblichen Erfordernisses als Kündigungsgrund für die betriebsbedingte Kündigung darlegen und beweisen. Darüber hinaus muss er zusätzlich das Vorliegen einer Organisationsentscheidung (so genannte freie Unternehmerentscheidung) vortragen, aufgrund derer aus nicht offensichtlich unsachlichen Gründen Vollzeitkräfte benötigt werden. Der bloße Vortrag, künftig die anfallenden Arbeiten nur noch mit Vollzeit- oder nur noch mit Teilzeitkräften zu erledigen, reicht nicht aus, um diese Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl auszunehmen. Erforderlich sind vielmehr konkrete Darlegungen zu einem nachvollziehbaren unternehmerischen Konzept der Arbeitszeitgestaltung.

(EuGH, Urteil vom 26. September 2000 - C 322/98)

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