Unternehmerentscheidung kann Rechtsmissbrauch bedeuten

Die Klägerin war seit 1998 als Hauswirtschaftshilfe in der von der Beklagten betriebenen Klinik beschäftigt. Zwecks Kosteneinsparung wurden Servicebereiche der Klinik, zu denen unter anderem die Klägerin gehörte, zum 31. März 2001 stillgelegt und allen dort beschäftigten Arbeitnehmern gekündigt. Spätestens zum 1. April 2001 sollten sämtliche Dienstleistungen in den betroffenen Bereichen auf eine noch zu gründende Service-GmbH übertragen werden. Diese sollte finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Beklagten eingegliedert bleiben und eigene, neu einzustellende Arbeitnehmer beschäftigen.

Die Beklagte hält 51 Prozent der Gesellschaftsanteile an der Service-GmbH. Nach dem Gesellschaftsvertrag muss der Geschäftsführer der Service-GmbH aus der Geschäftsleitung der Beklagten stammen. Schließlich stellt die Beklagte sämtliche zum GmbH-Betrieb erforderlichen Räume einschließlich Inventar und unterhält diese. Auch erbringt die Service-GmbH Leistungen namens und auf Rechnung der Beklagten.

Mit ihrer Kündigungsschutzklage macht die Klägerin die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend. Die Beklagte habe ihre Arbeitgeberstellung nicht aufgegeben. Als Mitgesellschafterin der Service-GmbH habe sie maßgeblichen Einfluss auf deren Geschäftsführung. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der beklagten Arbeitgeberin zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin blieb auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Die Entscheidung eines Unternehmers, einen Betriebsteil durch eine noch zu gründende und wirtschaftlich sowie organisatorisch in sein Unternehmen voll eingegliederte Organgesellschaft betreiben zu lassen und den Betrieb mit neu einzustellenden Arbeitnehmern weiterzuführen, stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz dar. Zwar ist die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Unternehmerentscheidung von den Arbeitsgerichten inhaltlich nicht zu überprüfen.

Die Entscheidung unterliegt jedoch einer nach Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz gebotenen Missbrauchskontrolle. Der Arbeitgeber, der durch die Bildung einer unselbständigen Organgesellschaft seinen Betrieb in mehrere Teile aufspaltet mit dem Ziel, den betroffenen Arbeitnehmern den Kündigungsschutz zu nehmen und der den nach wie vor bestehenden Beschäftigungsbedarf mit solchen Arbeitnehmern deckt, die von der Organgesellschaft neu einzustellen sind, handelt rechtsmissbräuchlich. Eine Kündigung der in dem Klinik-Betriebsteil bisher beschäftigten Arbeitnehmer ist daher nicht gerechtfertigt. Die Kündigung war hinfällig.

(BAG, Urteil vom 26. September 2002 - 2 AZR 636/01)

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