Gewerkschaftswerbung an betriebliche E-Mail-Adressen

Gewerkschaften, die in einem Betrieb tarifzuständig sind, dürfen Informationen und Werbung an die betrieblichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten richten. Dieses Recht steht den Gewerkschaften auch dann zu, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung der E-Mail-Adressen untersagt hat. Das Recht folgt aus der Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften gemäß Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz. Solange der E-Mail-Verkehr nicht zu nennenswerten Störungen im Betriebsablauf oder spürbaren wirtschaftlichen Belastungen führt, müssen die Grundrechte des Arbeitgebers zurücktreten. (BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08)

Der Fall

Die Klägerin ist ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Informationstechnologie. Die Beklagte ist eine Gewerkschaft, die in diesem Bereich Beschäftigte organisiert. Im Unternehmen der Klägerin ist durch Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt, dass die betrieblichen E-Mail-Zugänge der Beschäftigten nur für betriebliche Zwecke genutzt werden dürfen. Anfang 2007 verfolgte die Klägerin den Plan, Standorte zu schließen und Beschäftigte zu versetzen. Die beklagte Gewerkschaft reagierte auf diesen Plan, indem sie unaufgefordert E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen der 3.300 Beschäftigten der Klägerin versandte. In diesen E-Mails stellte die Gewerkschaft ihre Standpunkte und Ziele bezüglich der geplanten Standortschließungen und Versetzungen dar und benannte die verhandelnden Personen und Kontaktmöglichkeiten bei der Gewerkschaft. Mit der Klage verfolgte die Klägerin das Ziel, dass die Beklagte die unaufgeforderte Versendung von E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten unterlässt. Die Klägerin sah sich in ihrem Eigentumsrecht und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Eine Gewerkschaft darf Informationen und Werbung an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten eines Betriebes senden, wenn sie tarifzuständig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Zugangs verboten hat. Dieses Recht gehört zur Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften, die durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützt ist. Die Betätigungsfreiheit ist jedoch gegen die betroffenen Grundrechte des Arbeitgebers abzuwägen. Hier kommen sein durch Artikel 14 Abs. 1 GG geschütztes Eigentumsrecht und sein von Artikel 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Frage. Diese Grundrechte des Arbeitgebers müssen jedoch dann hinter die Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften zurücktreten, wenn der E-Mail-Verkehr keine nennenswerten Störungen im Betriebsablauf zur Folge hat und auch nicht zu signifikanten wirtschaftlichen Belastungen führt, die der Gewerkschaft zuzurechnen sind. Der Arbeitgeber darf sich im Rahmen eines deliktischen Unterlassungsanspruchs gegenüber der Gewerkschaft auch nicht auf Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer berufen.

Das Fazit

Das Urteil stärkt die Rechte der Gewerkschaften in einem zentralen Punkt. Die Gewerkschaften haben ein grundrechtlich geschütztes Interesse daran, ihren Mitglieder und potentiellen Mitgliedern Werbung und Informationen über ihre Arbeit zukommen zu lassen. Die gezielte Zusendung von Materialien über dienstliche E-Mail-Zugänge wurde durch diese Entscheidung des BAG nun als Teil dieser Betätigungsfreiheit anerkannt. Allerdings muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Die Nutzung der dienstlichen E-Mail-Zugänge darf nicht so weit führen, dass die Arbeitsabläufe im Betrieb gestört werden oder der Arbeitgeber hierdurch wirtschaftliche Verluste erleidet.

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