dbb magazin 3/2025

DOSSIER SELBSTVERWALTUNG © Serviceplan Berlin Sozialversicherung Selbstverwaltung braucht mehr Kompetenzen und Verfassungsrang Es besteht ein erheblicher Reformbedarf bei der sozialen Selbstverwaltung. Im Schlussbericht für die Sozialwahlen 2023 haben der Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahl, Peter Weiß, und seine Stellvertreterin Doris Barnett dazu zahlreiche Vorschläge gemacht. Die wichtigsten lauten: Die soziale Selbstverwaltung sollte im Grundgesetz verankert und die Kompetenzen für die Selbstverwaltung sollten erweitert werden. Peter Weiß erläutert die Hintergründe. Die Selbstverwaltung mit Repräsentanten der Versicherten und der Arbeitgeber ist heute ein unverzichtbares Strukturelement bei der Arbeitslosen- sowie bei der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Unfallversicherung. Die Sozialversicherungsträger haben ganz wesentlich zum Erfolg des sozialen Netzes in Deutschland beigetragen. Ihre Verlässlichkeit basiert auch auf dem Verantwortungsbewusstsein und dem Engagement der Selbstverwaltungen mit gewählten Vertreter:innen der Versicherten und der Arbeitgeber. Kann die soziale Selbstverwaltung ihren Erfolgsweg auch in der Zukunft fortsetzen? Unbedingt: Ja! Aber dazu müssen Selbstverwaltung und Sozialwahl moderner, offensiver und profilierter werden. Also: Sie müssen ihr etwas angestaubtes Image abstreifen und ihren Bekanntheitsgrad deutlich erhöhen. Die Zukunft der sozialen Selbstverwaltung hängt von der Frage ab, ob diese bei den Versicherten wieder mehr Ansehen und Wertschätzung gewinnt. Mehr bürgerschaftliches Engagement, mehr Bürgerbeteiligung, mehr Demokratie – das sind die Forderungen unserer Zeit. Die soziale Selbstverwaltung macht all dies möglich. Doch sie muss ihr Potenzial auch in die Praxis umsetzen und ihr Wirken in die Öffentlichkeit tragen. Die Alternative zur sozialen Selbstverwaltung wäre staatlicher Dirigismus. In den Nachwahlbefragungen zur Sozialwahl 2023 haben viele Versicherte die Frage gestellt, ob die soziale Selbstverwaltung für sie überhaupt eine Bedeutung hat, also die Frage nach den Kompetenzen der sozialen Selbstverwaltung. Letztlich entscheidet sich an dieser Frage ihre Zukunft. Es bedarf einer Trendumkehr, wie sie schon im Schlussbericht über die Sozialwahlen 2011 der damalige Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen, Gerald Weiß, und sein Stellvertreter Klaus Kirschner gefordert haben: „Die Tendenz der letzten Jahrzehnte, die der Selbstverwaltung zunehmend Kompetenzen entzogen hat, sollte gestoppt und umgekehrt werden. Der Selbstverwaltung sollten wieder mehr Rechte übertragen und diese damit gestärkt werden.“ Die politisch Verantwortlichen in Regierungen und Parlamenten müssen sich immer wieder klarmachen, dass auch sie ein grundsätzliches Interesse an einer starken Selbstverwaltung haben. Viele Angelegenheiten des Verwaltungsalltags der Träger fangen die Selbstverwaltungen auf. Die Politik kann froh sein, dass sie in diesen Fragen nicht der erste Ansprechpartner ist. Die Politik sollte durch Akte der Wertschätzung deutlich machen, wie wichtig ihr das Engagement der Selbstverwalter:innen ist. Zugleich müssen die Selbstverwaltungen dafür sorgen, dass ihre Arbeit in den eigenen Medien der Träger gebührend dargestellt wird. Zusätzlich sollte der Gesetzgeber die soziale Selbstverwaltung, in Anknüpfung an den Art. 161 der Weimarer Reichsverfassung, verfassungsrechtlich absichern. Dort heißt es: „Zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, zum Schutz der Mutterschaft und zur 14 FOKUS dbb magazin | März 2025

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