dbb magazin 3/2025

Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Schwäche und Wechselfällen des Lebens schafft das Reich ein umfassendes Versicherungswesen unter maßgebender Mitwirkung der Versicherten.“ Verfassungsrechtlicher Rahmen gefordert Im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland ist die soziale Selbstverwaltung nicht verfassungsrechtlich garantiert. Die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung unterfällt der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Da die Länder aber mit den berufsständischen Versorgungswerken oder dem Blindengeld allenfalls ansatzweise von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, soziale Risiken auf Landesebene abzusichern, sind die maßgeblichen Regelungen der Sozialversicherung in Bundesgesetzen geregelt. Der Vollzug dieser Gesetze liegt allerdings nicht bei eigenen Behörden des Bundes. Strukturelles Kennzeichen der Sozialversicherung ist vielmehr ihre Herauslösung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung. Träger der Sozialversicherung und für den Gesetzesvollzug zuständig sind seit jeher selbstständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre Mittel im Wesentlichen durch Beiträge ihrer Mitglieder aufbringen. Die Versicherten sind Mitglieder der Träger der Sozialversicherung mit Rechten und Pflichten. Körperschaftlichen Strukturen ist der Gedanke immanent, dass die Mitglieder der jeweiligen Körperschaft ihre eigenen Interessen in bestimmten Grenzen autonom wahrnehmen und regeln können. Art. 161 der Weimarer Reichsverfassung brachte dies mit den klaren Worten zum Ausdruck, dass das soziale Versicherungswesen von „maßgeblicher Mitwirkung der Versicherten“ gekennzeichnet sein sollte. Es spricht nichts dafür, dass dieses strukturbildende Merkmal der „maßgeblichen Mitwirkung der Versicherten“ unter Geltung des Grundgesetzes „verwässert“ oder gar aufgegeben werden sollte. Zur DNA der Sozialversicherung gehört ihre mitgliedschaftliche Struktur und damit auch der Gedanke, dass die Mitglieder ihre eigenen Angelegenheiten autonom gestalten. Körperschaftliche Strukturen setzen jedoch voraus, dass die Elemente autonomer Selbstbestimmung und der Mitsprache in eigenen Angelegenheiten so gewichtig sind, dass ein deutlicher Unterschied zur unmittelbaren Staatsverwaltung besteht, die derartige Mitsprache gerade nicht kennt. Satzungsautonomie muss sicht- und spürbar sein Als Instrument zur Regelung eigener Angelegenheiten verleiht der Gesetzgeber den Körperschaften Satzungsautonomie. Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat zugeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörenden und unterworfenen Personen erlassen werden. Mit der Verleihung der Satzungsautonomie werden die in der Körperschaft zusammengeschlossenen Bürger:innen ermächtigt, durch die von ihnen demokratisch gewählten und gebildeten Organe ihre eigenen Angelegenheiten innerhalb eines von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereichs selbst zu regeln. Die Verleihung von Satzungsautonomie hat – wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausführt – ihren guten Sinn darin, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern. Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderungen er nicht rasch genug reagieren könnte. Das BVerfG hat daher niemals in Zweifel gezogen, dass sich der Autonomiegedanke sinnvoll in das System der grundgesetzlichen Ordnung einfügt. Allerdings setzt die grundgesetzliche Ordnung der Verleihung und Ausübung von Satzungsgewalt Grenzen. Wo diese Grenze bei Gremienarbeit ist ein wichtiger Aspekt der Selbstverwaltung. © Manuel Rose (2) FOKUS 15 dbb magazin | März 2025

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