dbb magazin 3/2025

Drei Fragen an dbb Vize Maik Wagner Bürgernähe für die Selbstverwaltung Warum ist die Selbstverwaltung der Sozialkassen so wichtig für Versicherte? Die Selbstverwaltung spielt eine zentrale Rolle im Sozialversicherungssystem und ermöglicht es den Versicherten, aktiv an der Gestaltung und Verwaltung der Sozialkassen mitzuwirken. Im Rahmen der Mitbestimmung haben Versicherte und Arbeitgeber die Möglichkeit, über gewählte Vertreter in den Gremien der Sozialversicherungsträger mitzuentscheiden, was die Transparenz und demokratischen Entscheidungsprozesse betrifft. Die Selbstverwaltung stellt auch sicher, dass die Interessen der Versicherten und Arbeitgeber gleichermaßen berücksichtigt werden, damit Sozialleistungen fair und ausgewogen gestaltet werden. Kurz: Die Beteiligung der Versicherten stärkt das Vertrauen in das System und erhöht die Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen. Ganz praktisch entscheiden die Gremien der Selbstverwaltung zum Beispiel über die Höhe der Zusatzbeiträge der Krankenkassen und über die Haushalte und Personalien der gesamten Sozialversicherung. Wir reden auch dabei mit, welche Leistungen Kureinrichtungen und Rehakliniken vor Ort vorhalten. Dies geschieht dezentral und ist mit der Arbeit kommunaler Parlamente vergleichbar: Die Vertreterinnen und Vertreter kommen selbst aus den entsprechenden Regionen und entscheiden anhand der Gegebenheiten vor Ort, was den Versicherten direkt zugutekommt. Das gilt übrigens ebenso für die Rentenversicherung, denn dort spielen die Leistungen auch in den Gesundheitsbereich hinein, etwa wenn es um berufliche Rehabilitation oder die Berufsförderung für Menschen mit Beeinträchtigungen geht. Rentenversicherung ist eben nicht nur Rente. Die Wahlbeteiligung an der Sozialwahl 2023 betrug nur 22 Prozent. Von den bundesweit 51,3 Millionen Wahlberechtigten haben lediglich 11,5 Millionen abgestimmt. Was läuft da schief? Die mäßige Beteiligung hängt sicher auch damit zusammen, dass die Sozialwahl nur alle sechs Jahre ins Interesse der Medien rückt. Dazwischen herrscht weitgehend Funkstille, was der Bekanntheit der Sozialwahl nicht gerade guttut. Deshalb müssen wir als Selbstverwalter aktiver werden, was unsere Öffentlichkeitsarbeit betrifft. Es geht darum, unsere Stärken bekannter zu machen. Unsere Entscheidungsbefugnisse, die Satzungsleistungen, die wir bei den Kassen ermöglichen – von der Zahnreinigung bis zum präventiven Gesundheitskurs – vieles davon ist in der Bevölkerung nur wenig bekannt. Bis zur nächsten Sozialwahl im Jahr 2029 wollen wir präsenter in den Mitgliederzeitschriften der Kassen sein und auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Interesse für unsere Arbeit wecken. Ich könnte mir vorstellen, dass zur Sozialwahl, ähnlich wie bei Bundestags- oder Europawahlen, Wahlaufrufe für die Selbstverwaltung gesendet werden. Auch die sozialen Medien wollen wir stärker nutzen. Viele Menschen wissen zum Beispiel gar nicht, dass sie kostenlos auf die Leistungen unserer Versichertenberaterinnen und -berater der Rentenversicherung vor Ort zugreifen können. Allein die GdS hat mehr als 100 ehrenamtliche Versichertenberater. Bundesweit sind es über alle Sozialversicherungsträger und Organisationen hinweg rund 2 600. Ein weiteres Anliegen ist es in diesem Zusammenhang, nicht nur Versicherte zu informieren, sondern auch Interesse für die Arbeit in den Gremien zu wecken. Wir brauchen mehr Frauen in unseren Reihen und Versichertenberater kann es gar nicht genug geben. Der Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen, Peter Weiß, hat eine grundlegende Reform der Selbstverwaltung und der Sozialwahlen ins Spiel gebracht. Hat er damit recht? Das Streben nach Verfassungsrang der Selbstverwaltung, wie Weiß ihn fordert, kann ich nur unterstützen, das würde ihren Wert sehr stärken. Ziel muss darüber hinaus eine höhere Wahlbeteiligung sein, um das demokratische Grundverständnis der Selbstverwaltung wieder stärker in den Fokus zu rücken. Das haben wir selbst in der Hand und da müssen wir besser werden. Deshalb hat Peter Weiß recht, wenn er sagt, dass man sich nicht über eine geringe Wahlbeteiligung beschweren kann, wenn man die substanziellen Fragen der Versicherten nach dem praktischen Nutzen von Selbstverwaltung und Sozialwahl unbeantwortet lässt. _ Maik Wagner ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) und als stellvertretender dbb Bundesvorsitzender zuständig für Sozialpolitik. Zudem ist er Vorstandsmitglied der DRV Mitteldeutschland. © Andreas Pein FOKUS 19 dbb magazin | März 2025

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