geln für politische Werbung im Internet: Die Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung schreibt seit Anfang 2024 vor, dass Wahlwerbung als solche gekennzeichnet sein muss und Parteien Auskunft darüber geben müssen, wer die Anzeigen geschaltet und für sie bezahlt hat. Dennoch zeigte die Wahl in Rumänien Ende 2024, dass auch dieses System nicht wasserdicht ist: Auf TikTok verhalfen Fake Accounts und Influencer – Grauzonen in den EU-Regeln – dem bis dahin kaum bekannten Rechtsextremen Călin Georgescu zum Wahlsieg. Den amerikanischen Online-Konzernen sind die EU-Regulationen ein Dorn im Auge. Das ist einer der Gründe, warum Elon Musk in der EU Parteien unterstützt, die diese Regeln kippen wollen. So brachte beispielsweise die AfD im Oktober 2024 einen Antrag zur Abschaffung des DSA ein. Die Begründung „Keine Beschränkung der Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken“ dürfte bekannt vorkommen. Auch am EU AI Act, der die Spielregeln für künstliche Intelligenz festschreibt, stören sich die USA. Auf dem KI-Gipfel in Paris sprach sich US-Vizepräsident J. D. Vance am 11. Februar 2025 für Deregulierung aus. Leider sind DSA und DMA kein Allheilmittel gegen die Einflussnahme der Tech-Konzerne. Beispiel X: Müsste das Unternehmen die maximale Strafe zahlen – schätzungsweise 340 Millionen Dollar –, würde das für den 420 Milliarden Dollar schweren Eigentümer Elon Musk rechnerisch einen Verlust von läppischen 0,08 Prozent seines Vermögens bedeuten. Die Gefahr: Die Strafzahlungen verlieren ihre Abschreckungswirkung oder können bei der Haushaltsplanung in Kauf genommen werden. Kahlschlag im öffentlichen Dienst Doch nicht nur der virtuelle Raum, auch der öffentliche Dienst ist Teil des Beuteschemas von Trump und Musk. Kaum im Amt hat Trump bereits mit dem Kahlschlag des öffentlichen Dienstes begonnen. Zentrales Instrument ist die neu geschaffene Behörde für Regierungseffizienz (DOGE) unter der Leitung von Elon Musk, die gerade massenhaft Beschäftigte feuert, deren Aufgaben sie als überflüssige Geldverschwendung ansieht, darunter Beschäftigte der Behörde für nukleare Sicherheit. Vor allem aber hatte es DOGE auf die DEI-Stellen (Diversität, Gleichstellung und Inklusion) abgesehen. Ende Januar schickte das US-Amt für Personalverwaltung eine Mail an die mehr als zwei Millionen Beschäftigten. Der Inhalt: ein Rücktrittsangebot für alle, die nicht gewillt sind, unter Trump zu arbeiten. Nach Protesten – auch seitens der Gewerkschaft der amerikanischen Regierungsbeschäftigten (AGFE) – pausierte ein Richter das Rücktrittsangebot. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits 65 000 Beschäftigte das Angebot angenommen. In der Behörde für internationale Entwicklung stellte DOGE weltweit 10 000 Beschäftigte frei – 97 Prozent des Personals der Behörde. DOGE verschaffte sich zudem fragwürdigen Zugang zu Zahlungsdaten und persönlichen Daten der Behörden und ihren Beschäftigten. Seit Musks Übernahme und dem damit einhergehenden Rechtsdrall von X verließen viele Organisationen und Personen des öffentlichen Lebens die Plattform. Der Gedanke: X den Ruf als seriöse und legitime Plattform nehmen, um nicht mit dem immer weiter in rechte Ideologien abdriftenden Musk in Verbindung gebracht zu werden. Das hatte zwar Signalwirkung für die Fangemeinde, bedeutete aber auch, den Musk-Treuen das Feld zu überlassen. Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl sieht diesen digitalen Exodus im Interview mit Netzpolitik.org kritisch: „Ich bin der Meinung, man sollte sich erst so spät wie möglich von den Plattformen zurückziehen. Wenn man dort über ein großes Netzwerk und damit eine große Reichweite verfügt, dann sollte man diese nicht leichtfertig aufgeben.“ Weiterhin stellt sich die Frage, welche Plattformen überhaupt noch infrage kommen, wenn X, Meta, Google und TikTok allesamt problematisch sind. Alternativen made in Europe wie Signal oder Pixelfed existieren, sind aber kaum bekannt. Gleichzeitig wäre eine Aufteilung des Internets in eine europäische, amerikanische und eine chinesische Sphäre (das sogenannte Splinternet) auch nicht zielführend. Ein neuer Aufstieg für 100 000 Jahre? Ein bezeichnendes Detail auf dem Inaugurationsfoto des neuen US-Präsidenten: Das Gemälde, vor dem das Tech-Quartett posiert, zeigt die Kapitulation des britischen Generals Burgoyne vor der amerikanischen Armee. Es markiert den Wendepunkt im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und damit den Moment, ab dem Europas Einfluss auf Amerika schwand und für die Vereinigten Staaten der Aufstieg zur Weltmacht begann. Steht die Ära der Tech-Bros für einen erneuten Aufstieg? Wenn dem so ist, wird der nächste Aufstieg in ganz anderen Zeitskalen als Legislaturperioden gemessen werden. Die Köpfe im Silicon Valley begeistern sich seit einiger Zeit mit der Idee des Longtermism: Sie wollen die Menschheit über 100 000 Jahre erhalten und über den gesamten Kosmos verbreiten. Das würde allerdings auf Kosten der Menschen der Gegenwart und kommender Generationen gehen, denn für eine glorreiche Zukunft in 100 000 Jahren müssten Klimawandel und politische Unruhen in Kauf genommen werden. Zurück in die Gegenwart: Wie also umgehen mit Trump, Vance und Musk, die Amerika umgestalten und die EU zu ihrem Spielball machen wollen? Anpassen und Mitlaufen sind keine Option, wenn die EU ihre eigenen Interessen wahren will. Ignorieren darf sie den mächtigsten Mann und einige der reichsten Menschen der Welt ebenfalls nicht. Der Journalist Jamie Dettmer schlägt in seiner Analyse für „Politico“ stattdessen vor, Deals mit Trump einzugehen – diese Sprache verstehe er am besten. Dettmer zitiert außerdem eine asiatische Parabel: „Wer in der Wildnis einem Tiger begegnet, kann ihm nicht entkommen oder ihn direkt angreifen. Stattdessen musst du auf seinen Rücken springen, dich festhalten und den Bissen ausweichen, bis der Tiger müde wird.“ dsc FOKUS 25
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