dbb magazin 3/2025

MITBESTIMMUNG Gewerkschaftsarbeit im Betrieb Digitales Zugangsrecht auf dem Prüfstand Seit der Coronapandemie arbeiten viele Menschen mobil – eine Entwicklung, die Gewerkschaften vor neue Herausforderungen stellt. Besonders die Frage nach der Erreichbarkeit von bestehenden Mitgliedern und Gewinnung neuer Mitglieder rückt in den Fokus. Während der Zugang zu Betriebsstätten und die dortige Durchführung gewerkschaftlicher Informations- und Werbemaßnahmen in der Vergangenheit im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen mit Arbeitgebenden standen, stellt sich nun die Frage nach einem digitalen Zugangsrecht für Gewerkschaften. Schließlich müssen sie ihr aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) resultierendes betriebliches Zugangsrecht ausüben und eine an die digitale Arbeitsumgebung angepasste Mitgliederwerbung durchführen können. Für den öffentlichen Dienst hat der Gesetzgeber bereits im Jahr 2021 in § 9 Abs. 3 Satz 2 Bundespersonalvertretungsgesetz die Möglichkeit geschaffen, auf Verlangen einer Gewerkschaft deren Internetauftritt im Intranet der Dienststelle zu verlinken. Jedoch fanden weitergehende Forderungen wie die Verpflichtung der Dienststelle zur Herausgabe der E-Mail-Adressen aller Mitarbeitenden aus datenschutzrechtlichen Gründen und Bedenken hinsichtlich der IT-Sicherheit keine Beachtung. Pläne im Koalitionsvertrag 2021 bis 2025 Das digitale Zugangsrecht der Gewerkschaften wurde im Koalitionsvertrag 2021 bis 2025 angekündigt und im Referentenentwurf des Bundestariftreuegesetzes vom 5. September 2024 aufgenommen. Im Koalitionsvertrag hieß es: „Wir schaffen ein zeitgemäßes Recht für Gewerkschaften auf digitalen Zugang in die Betriebe, das ihren analogen Rechten entspricht.“ Im Referentenentwurf war geplant, einen § 8a in das Tarifvertragsgesetz einzuführen, in dem das digitale Zugangsrecht von Arbeitnehmervereinigungen zum Betrieb geregelt werden sollte. Zudem sollte der § 2 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ähnlich lautend für ein gewerkschaftliches Zugangsrecht zwecks betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und Befugnisse geändert werden. Nach starker Kritik aus Fachwelt und Praxis wegen Bedenken der Rechtmäßigkeit solcher gesetzlicher Bestimmungen enthielt der weitere Referentenentwurf eines Bundestariftreuegesetzes vom 24. Oktober 2024 keinerlei Regelungen mehr zu einem digitalen Zugangsrecht. Aufgrund des Scheiterns der Ampelregierung sind zeitnah keine weiteren gesetzgeberischen Tätigkeiten zu erwarten. Die Diskussion wird dennoch aktuell bleiben, bis möglicherweise eine Lösung gefunden wird, die den digitalen Entwicklungen der Arbeitswelt entspricht. Der dbb setzt sich seit Jahren für ein digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften ein. Gewerkschaften sind zur Ausübung der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG darauf angewiesen, Kontakt zu ihren Mitgliedern aufzunehmen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung ist das eine Herausforderung, da das anerkannte physische Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) keine analoge Anwendung auf das digitale Zugangsrecht zulässt. Gewerkschaften haben bereits in der Vergangenheit immer wieder versucht, ein digitales Zugangsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG herzuleiten. In diesem Zusammenhang haben sich Gerichte mit verschiedenen Anspruchsbegehren der Gewerkschaften befasst. Unter anderem mit der Einrichtung einer betrieblichen E-Mail-Adresse für die Gewerkschaft, der alle Arbeitnehmenden eines Betriebes zugeordnet sind, sowie der Verpflichtung der Arbeitgebenden, die E-Mail-Adresse bezüglich der zugeordneten Mitarbeitenden aktuell zu halten. In einem anderen Fall ging es um die Verpflichtung der Arbeitgeberseite, einen Link im Intranet einzubauen, der auf die Webseite der Gewerkschaft führt. Bisher hatten sämtliche Gerichte entsprechende Anträge der Gewerkschaften zurückgewiesen. Aktuelle Entscheidung des BAG Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 28. Januar 2025 zur Frage des digitalen Zugangsrechts entschieden, dass ein Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet ist, der Gewerkschaft auf Anfrage die dienstlichen E-Mail-Adressen seiner bereits vorhandenen und neu hinzukommenden Arbeitnehmenden zum Zweck der Mitgliederwerbung mitzuteilen (BAG, Urteil vom 28. Januar 2025, Az.: 1 AZR 33/24). Im BeModel-Foto: Colourbox.de 30 INTERN dbb magazin | März 2025

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