dbb magazin 4/2025

(43 Prozent). Cybermobbing bietet durch seine Natur spezielle Angriffsformen wie das Verbreiten peinlicher oder erniedrigender Fotos oder Videos. Diese Sonderform kommt mit 13 Prozent jedoch am seltensten vor. Am Arbeitsplatz kommen die Attacken in 87 Prozent der Fälle von Kolleginnen und Kollegen, in 49 Prozent (Mehrfachnennungen waren bei dieser Antwort möglich) kommen sie von Vorgesetzten. Letztere Variante wird auch als „Bossing“ bezeichnet. Nur in 13 Prozent der Fälle wird von Untergebenen „von unten nach oben“ gemobbt. Alle drei Richtungen des Mobbings haben seit 2018 zugenommen. Betroffene sehen als häufigste Ursache, dass sie sich anders verhalten haben, als die Täterinnen und Täter es wollten. Dagegen geben die Täter wiederum als häufigstes Motiv für Mobbing Ärger mit dem Opfer und die Ansicht an, dass es die Attacken verdient. Auffällig ist, dass Faktoren wie Nationalität, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Religion mit 17 bis 19 Prozentpunkten bei Cybermobbing ein wesentlich größerer Faktor sind als beim Mobbing. Die Studie interpretiert daraus, dass „… Cybermobbing sehr viel mehr als Mobbing ein Problem der kollektiven Hetze gegen Personen ist, wahrscheinlich gefördert von der Anonymität des Internets“. Suizidgefahr durch Cybermobbing Die Folgen können für Betroffene beträchtlich sein: Ein Drittel der Opfer hatte als Folge mit Depressionen oder vermindertem Selbstvertrauen zu kämpfen und ein Sechstel nahm verstärkt Rauschmittel und war suizidgefährdet. In einem Viertel der Fälle traten als Folge auch körperliche Schäden wie Magen-Darm-­ Beschwerden oder Schmerzen auf. Auch für Arbeitgebende kann Mobbing am Arbeitsplatz negative Folgen haben, da es das Betriebsklima vergiftet und die Produktivität senkt. Betroffene haben eine wesentlich höhere Kündigungsbereitschaft und doppelt so viele Krankheitstage. Die psychische Unversehrtheit der Beschäftigten liegt also auch im Interesse der Arbeitgebenden. Für die Politik ergibt mehr Einsatz bei der Bekämpfung von Mobbing zudem aus ökonomischer Sicht Sinn: Die Studie hat errechnet, dass durch Mobbing und Cybermobbing jährlich ein volkswirtschaftlicher Verlust von acht Milliarden Euro entsteht. Die Kosten für Präventionsmaßnahmen liegen laut der Studie dagegen deutlich niedriger. Rechtlich gegen Cybermobbing vorzugehen, ist in Deutschland schwierig, denn es stellt trotz der verheerenden Wirkung keinen Straftatbestand dar. In Frankreich, Spanien und Schweden ist Mobbing am Arbeitsplatz dagegen strafbar. Allerdings können nach Angaben des Deutschen Bundestags einige der häufigsten Formen von Cybermobbing nach Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt werden. Dazu gehören beispielsweise Beleidigung, Verleumdung, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen oder Bedrohung. Bei (Cyber-)Mobbing am Arbeitsplatz reagieren zwar 79 Prozent der Betroffenen auf die Angriffe. Die wenigsten wenden sich allerdings an die Arbeitsstelle selbst, sondern suchen außerhalb Rat (43 Prozent). Bei denen, die in der Arbeitsstelle Hilfe suchen, sind die Vorgesetzten die häufigste Kontaktperson (26 Prozent). Der Personal- oder Betriebsrat wird nicht so häufig aufgesucht (15 Prozent). Ein möglicher Grund für die häufigen Mobbingfälle am Arbeitsplatz ist der unzureichende Umgang mit dem Thema. Nur etwa ein Drittel der Unternehmen, bei denen die Teilnehmenden der Studie angestellt waren, verfügte über Anlaufstellen für (Cyber-) Mobbing oder entsprechende Richtlinien. Noch weniger boten Aufklärungsmaßnahmen oder Schulungen zu diesem Thema an. Lediglich 17 Prozent der Unternehmen hatten sogenannte „Konfliktlotsen“ oder ähnliche Unterstützung. Die gute Nachricht: Die Anzahl der Unternehmen mit solchen Hilfsangeboten ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Mobbingstrukturen identifizieren „Aus unseren Erfahrungen auch aus dem schulischen Kontext wissen wir, dass eine Kombination aus direkten Präventionsmaßnahmen wie Aufklärung und Sensibilisierung sowie der flankierenden Schaffung institutioneller Strukturen wichtig ist“, berichtet Beitzinger. „Hier ist gerade die Einrichtung von niederschwelligen Meldestellen oder Anlaufstellen sinnvoll. Wenn in einem Unternehmen mobbingfördernde Strukturen identifiziert werden, ist es in diesen Fällen am zweckmäßigsten, diese aufzubrechen.“ Das sei allerdings oftmals ein sehr schwieriger Weg, da sich solche Strukturen häufig in den Konflikt- und Führungskulturen eines Unternehmens verfestigt haben. Auch ein konkurrenzorientiertes Klima und starre Hierarchien abzubauen sowie eine kritikfähige Führungskultur zu etablieren, sei laut der Studie eine Lösung. Allerdings sei dabei nicht nur der Einsatz der Arbeitsstellen, sondern auch der Politik gefragt: Die Studie ergab, dass zwei Drittel der Betroffenen eine schärfere Gesetzgebung und mehr öffentliche Beratungsstellen als sehr hilfreich empfanden. Für die Zukunft brauche es mehr Daten, insbesondere in Bezug auf die Arbeitswelt, erklärt Beitzinger: „Wir planen für 2025 eine Fortsetzung der Studie. Genauere Zahlen wären insofern im Laufe des Jahres zu erwarten.“ Denn das Problem Cybermobbing verschärft sich: „Da wir aber bei unserer regelmäßigen ElternSchüler-Lehrer-Studie einen Anstieg von Cybermobbing-Fällen festgestellt haben, vermute ich, dass es sich bei den Erwachse- nen genauso verhält.“ dsc © Nick Fancher/Unsplash.com FOKUS 21 dbb magazin | April 2025

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==