NACHGEFRAGT Netzwerk sicher im Dienst „Machen Sie das Thema zum Thema!“ Vernetzen, Erfahrungen austauschen und so für mehr Sicherheit sorgen – das sind die Ziele des Präventionsnetzwerks #sicherimDienst, das seit 2022 in Nordrhein-Westfalen und mittlerweile auch bundesweit aktiv ist. Nachhaltige Prävention sei nur möglich, wenn die Probleme bekannt sind, sagt Andre Niewöhner vom Netzwerk. Herr Niewöhner, dass vor allem Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr häufiger mit Beleidigungen und Gewalt konfrontiert sind, ist inzwischen durch die Berichterstattung bekannt. Welche Berufsfelder sind darüber hinaus betroffen? Tatsächlich ist es so, dass es noch viele weiße Flecken gibt. Gesetzliche Initiativen zielen meistens darauf ab, die Sicherheit von Einsatzkräften oder die von Politikerinnen und Politikern zu erhöhen. Dabei sollte die Zielgruppe viel größer sein. Übergriffe betreffen Mitarbeitende in den Kommunalverwaltungen, Lehrkräfte oder – ganz konkret – auch Bademeister. Mittlerweile ist der gesamte öffentliche Dienst betroffen, in verschiedenen Ausprägungen. Was erleben die Beschäftigten? Nehmen wir die Beschäftigten im Straßenwesen als Beispiel, die schnell zur Zielscheibe werden, wenn sie Baustellen einrichten oder Straßen reparieren. Frustrierte Autofahrer schimpfen und beleidigen, werfen mit Müll oder Gegenständen. Auch Autos können, unbewusst oder bewusst, zur Waffe werden. Davon geht eine große Gefahr aus. Oder schauen wir auf die Post. Manche denken sich: Die Zustellerin soll einfach das Paket bringen und mir sonst nicht auf den Keks gehen. Kommt sie zu spät, hagelt es Beleidigungen. Steht anderswo das Postauto im Weg, wird die Hupe durchgedrückt. Das passiert im Übrigen auch, wenn ein Rettungswagen mit Blaulicht die Straße blockiert und ganz offensichtlich Rettungskräfte im Einsatz sind, um Hilfe zu leisten. Schlimmstenfalls münden all diese Situationen in körperliche Gewalt. Von welchen Fallzahlen gehen Sie im öffentlichen Dienst aus? Durch bundesweite Befragungen wissen wir, dass jede vierte Person im öffentlichen Dienst Gewalt erlebt hat. Dabei reicht das Feld von Beleidigungen über Bedrohungen bis hin zu körperlichen Übergriffen. Das Problem ist: Sieben von zehn Fällen kommen gar nicht erst zur Anzeige, die Dunkelziffer ist hoch. Die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst lediglich Taten, die Polizei-, Rettungs- und Feuerwehrkräfte sowie Vollstreckungsbeamte betreffen, darüber hinaus gibt es verschiedene Einzelerhebungen. Viele Berufsgruppen, beispielsweise Beschäftigte im Eisenbahnverkehr, werden nicht erfasst. Klar, wir brauchen mehr Dokumentation, sonst fischen wir im Trüben. Nachhaltige Prävention ist nur möglich, wenn die Probleme bekannt sind. Aber entscheidend ist aus Sicht des Netzwerks vor allem die Dokumentation vor Ort – in den Kliniken, in den Ämtern, in den kommunalen Betrieben. Bei Kontaktaufnahmen stellen wir oft fest, dass die meisten gar nicht wissen, was konkret bei ihnen im Haus passiert. Das sollte Priorität haben. Ich kann Betroffene nur ermutigen, in die Kommunikation zu gehen und Vorfälle zu melden. Wenn die Probleme bekannt sind: Wie sieht nachhaltige Prävention aus? Über allem steht das Stichwort „Handlungssicherheit“. Heißt: üben, üben, üben! Die besten Konzepte nützen nichts, wenn sie niemand trainiert. Grundsätzlich erstreckt sich Prävention über verschiedene Ebenen, sie ist unter anderem personenbezogen. Wer Kundenkontakt hat, sollte sich mit folgenden Fragen befassen: Wie kommuniziere ich eigentlich? Wie gehe ich mit Kritik und Kontroversen um? Lasse ich mich hochschaukeln oder wirke ich deeskalierend? Und was mache ich, wenn eine Situation trotz allem eskaliert? Eine Option könnte sein, einen Alarmknopf zu drücken oder den Raum durch eine Fluchttür zu verlassen. Damit wären wir auf der technischen beziehungsweise baulichen Ebene. Wie können Verantwortliche auf der organisatorischen Ebene vorgehen, wenn sie ein Präventionskonzept etablieren wollen? Im Netzwerk unterscheiden wir zwischen drei Phasen. Zunächst sollte es um die Vorsorge gehen. Diese umfasst zum Beispiel Deeskalationstrainings oder das Einrichten von Alarmsystemen. Wichtig ist auch, dass Zugänge geregelt sind: Es gibt Rathäuser, Andre Niewöhner leitet hauptamtlich die Direktion für Gefahrenabwehr und Einsatz bei der Kreispolizeibehörde in Coesfeld. Nebenamtlich koordiniert er die Arbeit des Netzwerks #sicherimDienst. © Stephan Ahlbrinck, Polizei Coesfeld 22 FOKUS dbb magazin | April 2025
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