Zoll geht davon aus, dass die Drogenbanden in weiten Teilen des Hafens Augen und Ohren haben. Einmal, Tom ist gerade mit Kollegen zu Fuß auf dem Hafengelände unterwegs, lässt der Fahrer eines Van-Carriers plötzlich das Gas aufheulen. „Er muss meinen Kollegen gesehen haben“, unterstreicht der Beamte. War es trotzdem ein Versehen? Ein blöder Scherz? Oder ein Einschüchterungsversuch? Das ist unklar. „Jedenfalls habe ich mir die Nummer notiert und es gab eine Ansage beim Hafenbetreiber.“ Situationen, in denen er seine Dienstwaffe ziehen musste, hat der 44-Jährige bei einer Schiffskontrolle noch nicht erlebt. Dafür im Straßenverkehr. Die sogenannte polizeiliche Eilzuständigkeit regelt, dass auch die bewaffneten Kräfte des Zolls tätig werden, wenn sich vor ihren Augen Straftaten ereignen oder Gefahren entstehen. Das ist mittlerweile in allen 16 Bundesländern so. Mit Sturmgewehr durch Hamburg Im konkreten Fall war ein Pkw innerorts mit 90 Sachen unterwegs. „Den haben wir angehalten“, erzählt der Zollamtsinspektor. Womit er und sein Kollege nicht gerechnet haben: Bei der Kontrolle des Kofferraums finden sie ein G36-Sturmgewehr. Sorgfältig auf einer Decke drapiert. „Ich habe sofort meine Dienstwaffe gezogen, um vor die Lage zu kommen. Es war vollkommen unklar, wie der Mann reagieren würde und ob er selbst noch eine Waffe trägt.“ Der Mann muss sich auf den Boden legen, die Beamten fixieren und durchsuchen ihn. Die Polizei ist schnell vor Ort und übernimmt den Fall. Schließlich stellt sich heraus, dass es sich bei dem Gewehr um eine Attrappe handelt. Klonk. Im Wallgang, der sich direkt an der Außenhaut einmal ums gesamte Schiff erstreckt, stößt sich Tom den Kopf an einem der vielen Rohre. Deshalb ist der Helm an Bord ein Muss. Die Beamten tragen einen roten Spezialhelm mit Kopflicht und Gehörschutz – umgangssprachlich: mit „Mickey-Mäusen“. Die sind vor allem im Maschinenraum nützlich, wo es selbst dröhnt, wenn das Schiff im Hafen liegt. Auch hier schaut der Zoll nach Schmuggelware. In herumstehenden Kisten, in Werkzeugschubladen, im Ersatzteillager. „Es ist alles an Bord, was man auf hoher See für Reparaturen brauchen könnte“, berichtet Felix. „Man kann mitten auf dem Atlantik ja nicht mal eben losgehen und Ersatzteile besorgen.“ Der Maschinenraum ist der letzte Ort, den die Beamten kontrollieren. Heute werden sie nicht fündig. Kurze Verabschiedung beim Kapitän, dann geht es wieder die schmale Gangway hinunter, zurück zu den Einsatzfahrzeugen. Im Büro dokumentieren Tom und Felix, wo und was sie kontrolliert haben. Auch wenn mit dem Job ein gewisses Risiko einhergeht, schätzen die Beamten ihr Einsatzgebiet am Hamburger Hafen. „Wir wissen morgens nie, was uns erwartet“, resümiert der Einsatzleiter. „Das macht den Alltag unfassbar spannend und vielfältig.“ cdi rein, Containertür zu. Sporttaschen fallen auf dem Hafengelände kaum auf. Fast alle Seeleute, die abmustern, tragen eine über den Schultern, berichtet Felix. Abmustern – so nennt man es im Hafen, wenn Schiffspersonal von Bord geht und den Dienst beendet. Unmögliche Verstecke gibt es nicht Von der Brücke nehmen die Beamten die Treppe zu den Laderäumen, hinunter ins Schiffsinnere. Eigentlich wollten Tom und Felix den Ankerkasten prüfen. Doch an der riesigen Klappe, die mit Muttern befestigt ist, sind keine Schraubspuren zu sehen. Schlussfolgerung: Hier etwas zu finden, ist nahezu ausgeschlossen. Der Kasten wurde noch nie geöffnet. Die Luke zum Laderaum im Boden hingegen schon, im Lack sind deutliche Schraubspuren zu erkennen. Felix nimmt den Akkuschrauber aus dem Rucksack, setzt an und löst die Muttern. Bis auf vier, die er lediglich lockert. Dann packen die Beamten die Griffe der Luke und ziehen sie vorsichtig ein Stück nach oben. Nichts passiert. Erst jetzt schraubt Felix die letzten vier Muttern vollständig ab. „Das ist eine Sicherheitsvorkehrung. Wenn Druck auf dem Kessel ist, aus welchem Grund auch immer, fliegt uns die Luke nicht sofort um die Ohren.“ Tom hat den Gasometer im Blick, die Werte sind unauffällig. Sobald der Sauerstoffgehalt in der Luft abfällt oder explosive Stoffe in der Luft liegen, würde er Alarm schlagen. Mit einer Taschenlampe leuchtet der Zollamtsinspektor in den Laderaum. Dort herrscht, abgesehen vom Lichtstrahl und der Dunkelheit, Leere. Mitglieder der Organisierten Kriminalität lassen sich selten blicken, sie wollen nicht auffallen und agieren meist im Hintergrund. Doch der Hinter verschraubten Luken kann Schmuggelware versteckt sein. Hinter dieser findet Tom nichts. Spannend und vielfältig – so beschreibt Tom die Arbeit des Zolls im Hamburger Hafen. FOKUS 27 dbb magazin | April 2025
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