FRAUEN Übergriffe Null Toleranz bei Gewalt gegen Frauen Mehr als die Hälfte der Frauen im öffentlichen Dienst wurden schon einmal bei ihrer Arbeit beschimpft oder angegriffen. Als wir 2023 die Fachtagung zu Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Dienst veranstaltet haben, hätten wir nicht erwartet, welchen Nachhall die Veranstaltung haben würde“, berichtet Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung und stellvertretende dbb Bundesvorsitzende. Bereits im Vorlauf seien die Resonanz und der Redebedarf zu dem Thema enorm gewesen. „Auf der Fachtagung hatten wir volles Haus. An der Podiumsdiskussion herrschte großes Interesse, wir konnten nicht ansatzweise alle Wortmeldungen aufnehmen. In den Monaten danach haben wir immer noch regelmäßig Rückmeldungen von Beschäftigten bekommen, die Opfer von Gewalt an ihrem Arbeitsplatz geworden waren oder erfolgreiche Gegenmaßnahmen ergriffen hatten. Das hat uns gezeigt, dass das Thema ein Dauerbrenner ist. Aber auch, dass der Kampf gegen Gewalt ein Dauerlauf ist.“ 58 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind Frauen. Laut einer dbb Bürgerbefragung, die 2023 in Zusammenarbeit mit forsa durchgeführt wurde, wurden 56 Prozent der Frauen im öffentlichen Dienst schon einmal während ihrer Tätigkeit behindert, beschimpft oder tätlich angegriffen. Noch detaillierter hatte eine Studie, die der dbb gemeinsam mit dem DGB und der Universität Speyer im Auftrag des BMI 2022 durchgeführt hatte, Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst untersucht. Eines der Ergebnisse war, dass Frauen dreimal so häufig von sexueller Belästigung betroffen sind wie Männer. Auf der Fachtagung hatte Dr. Sabine Jenner, Dezentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an der Charité Berlin, die Psychologie hinter sexueller Belästigung erklärt: „Sexuelle Belästigung ist ein Ausdruck von Kontrolle und Demütigung und wird bewusst oder unbewusst eingesetzt, um Macht zu demonstrieren.“ Besonders verbreitet sei sie dort, wo Frauen durch fehlende Strukturen und Tabuisierung des Phänomens kaum eine Chance haben, sich erfolgreich zu wehren. Rechtliche Schritte gegen sexuelle Belästigung Was viele nicht wissen: Auch sexuelle Belästigung ist Diskriminierung und fällt somit in den Bereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Damit haben Betroffene eine Möglichkeit, rechtlich gegen die Angriffe vorzugehen. Allerdings nutzen sie diesen Weg nur selten. Denn nach der aktuellen Regelung im AGG bleiben nur zwei Monate Zeit, um Ansprüche geltend zu machen. „Diese Frist ist viel zu kurz“, kritisiert die dbb frauen Chefin. „Betroffene brauchen viel mehr Zeit, um die nötige Kraft und den Mut aufzubauen, einen Vorfall zu melden.“ Die dbb frauen sind beim Thema AGG in engem und ständigem Austausch mit der Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes. Frauen bereitet es Schwierigkeiten, Vorfälle zu melden, wenn die Übergriffe aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen kommen. Kreutz weiter: „Betroffene fürchten, dass eine Meldung schlimmere Konsequenzen für sie selbst hat als für die Täterinnen und Täter. Zum Beispiel, dass ihnen nicht geglaubt wird und sie am Ende berufliche Nachteile erleiden. Leider werden diese Szenarien zu oft Realität.“ Viel gewonnen sei bereits mit klarer Kommunikation: „Wenn wir Gewalt gegen Frauen effektiv bekämpfen wollen, müssen wir damit anfangen, Fehlverhalten klar zu benennen“, fordert Kreutz. „Wir dürfen physische, verbale und sexuelle Gewalt nicht kleinreden, sondern müssen den Opfern beistehen.“ Dienststellen müssen Dienstvereinbarungen zu diesem Thema haben, klar darüber informieren, an wen sich Betroffene wenden können, wie die Prozesse ablaufen und welche Konsequenzen Übergriffe für Täterinnen und Täter nach sich ziehen. Nach einer Umfrage der ADS kennt beispielsweise nur die Hälfte der Befragten die Maßnahmen ihrer Arbeitsstelle gegen sexuelle Belästigung, und nur ein Drittel weiß von einer Ansprechperson. „Es ist die Pflicht der Arbeitgebenden, Maßnahmen zur Prävention einzurichten, klare Leitlinien und niedrigschwellige Ansprechstellen für den Umgang zu schaffen und Fehlverhalten konsequent zu ahnden“, appelliert die dbb frauen Chefin. „Jeder Angriff – in welcher Form auch immer – ist ein Angriff zu viel. An allen Arbeitsstellen muss null Prozent Toleranz bei sexueller Belästigung, Gewalt und Mobbing gelten.“ dsc Model Foto: Motortion/Colourbox.de INTERN 31 dbb magazin | April 2025
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