dbb magazin 7-8/2019

reportage politischen Proteste der Klima­ aktivisten von „Fridays for Future“ unterstützen. << Drei Flaschen Wasser für drei Jahre Strom Ohne Kernfusion gäbe es kein Leben auf unserem Planeten, denn die Fusion von Wasser­ stoff zu Helium setzt die Ener­ gie für die Sonnenstrahlung frei. 600 Millionen Tonnen Was­ serstoff werden auf der Sonne jede Sekunde in 596 Millionen Tonnen Helium umgewandelt, diese spezielle Fusion nennt sich Proton-Proton-Reaktion. Nun sind die Bedingungen der Sonne nicht ohne Weite- res übertragbar auf die Erde. Dadurch kann diese Proton-Proton-Reaktion nicht unter irdischen Bedingungen nach­ gestellt werden. Allein die Dich­ te der Atomkerne in der Sonne ist extrem schwer künstlich herzustellen. Außerdemmüs­ sen für die Fusion der Atome hohe Temperaturen von mehre­ ren Millionen Grad in dem Re­ aktor vorherrschen. Daher be­ helfen sich die Experten mit einer abgewandelten Kernfusi­ on: der Deuterium-Tritium-Re­ aktion, die etwas einfacher her­ zustellen ist. Kleiber ist kein Lautsprecher. Dadurch wirkt es ab und an noch imposanter, wenn der theoretische Physiker in nüch­ ternem Ton ein paar Fakten zu­ sammenstellt. Er – hager bis sportlich, Typ Marathonläufer – wirft eine Folie aus seiner Präsentation an die Wand. Dar­ auf zu sehen sind drei Plastik­ flaschen stilles Wasser und ein alter Laptopakku. „Damit“, zeigt er auf das Bild, „kann eine Familie ihren Strombedarf für drei Jahre decken.“ Das Deuteri­ um, ein natürliches Wasserstoff­ isotop, sowie das Lithium aus dem Akku reichten dafür aus. << Zwei Varianten des Fusionsreaktors möglich Seit 70 Jahren forschen Wis­ senschaftler bereits an dieser Deuterium-Tritium-Reaktion. Anfang der 1950er-Jahre be­ gannen Physiker in den USA, in Großbritannien und in der Sow­ jetunion unabhängig voneinan­ der, am Prinzip der Kernfusion zu forschen. In Princeton erar­ beitete Lyman Spitzer den ers­ ten Stellerator, auf dessen Basis auch der Wendelstein 7-X in Greifswald aufgebaut ist. Dabei wird in einer ringförmigen, in sich selbst gewundenen Anlage ein auf 150 Millionen Grad er­ hitztes Wasserstoff-Plasma her­ gestellt und von außen mit kompliziert angeordneten Mag­ netspulen eingeschlossen. Schematisch erinnert das Gan­ ze an ein verdrilltes Gummi­ band, in dem laut Kleiber be­ reits seit 2015 Plasmen erzeugt werden. „Energie werden wir hier allerdings nicht produzie­ ren“, stellt der Physiker fest. „Wendelstein 7-X soll zeigen, dass die Konstruktion machbar und für einen Langzeitbetrieb geeignet ist.“ In der Sowjetunion hingegen entschieden sich damals Andrei Sacharow und Igor Tamm für ein anderes Modell, den Toka­ mak. Diese Variante sieht vor, das Magnetfeld dadurch zu er­ zeugen, dass der Strom auch direkt im Plasma fließt. Wie sich im Laufe der Jahre herausstell­ te, hat dieses Tokamak-Prinzip einige Vorteile gegenüber dem Stellerator. „Insbesondere der Bau ist nicht so kompliziert“, bestätigt Ralf Kleiber. Er ver­ spricht sich daher auch viel vom derzeit größten Projekt der Kernfusion in Südfrank­ reich. ITER heißt es, abgekürzt für „Internationaler Thermo­ nuklearer Experimental Reak­ tor.“ Seit 2007 wird es in einem Kernforschungszentrum nord­ östlich von Marseille gebaut, im Jahr 2025 soll dort das erste Plasma hergestellt werden. An­ ders als bei Wendelstein 7-X soll es dabei jedoch nicht bleiben. Hier soll einmal die erste Kern­ fusion erfolgen, die mehr Ener­ gie liefert, als für das Erhitzen des Plasmas nötig ist. „Auch wir in Greifswald fiebern da mit unseren Kollegen mit“, sagt Ralf Kleiber, „obwohl wir an zwei unterschiedlichen Kon­ zepten forschen.“ Letzten En­ des, so Kleiber weiter, gehe es bei beiden Projekten darum, so << Verdrillte Kette: Bei einemmodernen Stellerator wird das Plasma im Innern des Stahlrings (gelb) mit äußeren Magnetspulen (blau) in komplexen Formen stabil gehalten. << Heißes Nichts: Kleiber erklärt das Innenleben eines Stellerators, bei dem das hochgradig verdünnte Plasma auf 150 Millionen Grad erhitzt wird. 17 dbb

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