dbb magazin 7-8/2019
frauen sicherungspflichtige Beschäf tigung kommen“, erklärte Spangenberg. „Denn warum soll ich wieder mehr arbeiten, wenn ich dadurch weniger verdiene?“ Ebenso wie das Ehegattensplit ting benachteilige auch das Lohnsteuerverfahren überwie gend Frauen steuerlich. Dieses sieht vor, dass einer der beiden Ehepartner von der Lohnsteu erklasse eins in die niedriger versteuerte Klasse drei wech seln könne, wenn der andere Partner in die überbesteuerte Klasse fünf wechselt. „90 Pro zent aller Steuerzahler in Klas se fünf sind Frauen“, sagte Spangenberg. Dadurch würde nicht nur das ohnehin gerin gere Einkommen nochmals reduziert, so die Expertin. Es mindere auch die Lohnersatz leistungen wie Arbeitslosen geld, Krankengeld oder die Rente, weil sich diese Leistun gen am Nettoeinkommen ori entierten. „Somit sind Frauen hier doppelt benachteiligt, weil sie von den eingezahlten Bei trägen, die sich am Bruttolohn orientieren, prozentual noch mals weniger rausbekommen“, so die Expertin. Dies führe zu einem erhöhten Risiko von Al tersarmut bei Frauen. << „Verfassungswidriger Zustand“ in Parlamenten „Bis wir zu einer 50-zu-50-Pari tät in den Parlamenten kom men, leben wir im Prinzip in einem verfassungswidrigen Zustand.“ Klarer hätte Silke Ruth Laskowski ihre Analyse der mangelnden Repräsentanz von Frauen in der deutschen Legislative nicht zusammen fassen können. In ihrem Im pulsvortrag plädierte die Wirt schaftsjuristin mit Professur an der Universität Kassel eindeu tig für eine konsequente Ände rung des Wahlrechts in der Bundesrepublik. Mit 30,7 Prozent sei der Frau enanteil im Bundestag nach den letzten Wahlen sogar rück läufig und die Lage in den Län dern sei keineswegs besser, so Laskowski. „Es mangelt dabei schon in den Nominierungs verfahren der Parteien an Chancengleichheit. Anders ist nicht zu erklären, dass nur 29 Prozent der Listenplätze und sogar nur 25 Prozent der Di rektkandidaturen 2017 an Frauen gegangen sind. Ohne klare Wahlrechtsänderungen wird es hier auch in den nächs ten Jahren keine Fortschritte geben“, so die Juristin. Diese Ungleichbehandlung missach te nicht nur die gesellschaftli che Wirklichkeit in Deutsch land, sondern sei auch ein klarer Verfassungsverstoß: „Das betrifft die Gleichberech tigung, das passive Wahlrecht und sogar das Demokratieprin zip selbst, schließlich wird indi rekt ja auch die demokratische Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt.“ Die Rechtsprechung des Bundes verfassungsgerichts hierzu sei eindeutig und gehe eben nicht nur von förmlichem Recht aus, sondern von der konkreten Le benswirklichkeit, so Laskowski. Zur konkreten Lebenswirklich keit in den deutschen Parteien gehöre heute auch die völlig inakzeptable Erwartung, dass sich Direktkandidierende mit signifikanten Beträgen (bis zu 100000 Euro) aus dem eige nen Vermögen an ihrer Wahl kampffinanzierung beteiligten: „Was bei der bestehenden Ent geltdiskriminierung nur zu ei ner weiteren Benachteiligung der Frauen in Deutschland führt.“ Laskowski plädiert nachdrück lich für quotierte Kandidieren denlisten auf allen Ebenen. „Das Wahlorganisationsrecht strukturiert die Zusammenset zung der Parlamente vor. Hier müssen wir ansetzen. Es gibt inzwischen etliche Vorschläge zum Thema. Die jüngste Pari tätsregelung in Brandenburg könnte ebenso wie die Parité- Gesetze in Frankreich Vorbild sein. Man kann die Listen der Reihe nach paritätisch beset zen oder in Direktwahlkreisen Teams bilden, in denen sich eine Frau und ein Mann die Ar beit in Parlament und Wahl kreis teilen. Hauptsache, wir beenden bald den permanen<< Ulrike Spangenberg << Silke Ruth Laskowski 32 dbb
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