dbb magazin 7-8/2019

interview wertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Die große Koalition hat ange­ kündigt, einen Nationalen Bil­ dungsrat zu gründen. Doch seit Monaten gibt es Streit um die Ausgestaltung, besonders zwi­ schen Bund und Ländern. Wann kommt der Bildungsrat? Und ist er der Anfang vom Ende der Länderhoheit bei der Bildung? Beim Nationalen Bildungsrat sind wir auf einem guten Weg. Die gemeinsamen Eckpunkte mit den Ländern sind weit fortgeschritten. Wir haben durchaus ein gemeinsames Verständnis über Aufgaben, Strukturen und Arbeitsweisen entwickelt: Der Bildungsrat soll kein „Schul-Rat“ werden, son­ dern Empfehlungen für alle Bil­ dungsbereiche beziehungswei­ se -etappen erarbeiten. Auch die kommunale Seite soll ein­ gebunden werden. Nur bei den Stimm- und Sitzverhältnissen müssen wir uns noch verstän­ digen. Wir werden uns aber auch hier einigen. Wir müssen jetzt zu einer Verständigung kommen. Der Digitalpakt für die Schulen geht in die praktische Umset­ zung. Haben Sie schon einen Überblick über anstehende Pro­ jekte? Wo liegen die Schwer­ punkte? Einige Länder haben die ersten Förderbekanntmachungen für den Digitalpakt Schule veröf­ fentlicht. Die anderen wollen im Sommer damit fertig wer­ den. Der Fokus der Länder liegt aktuell auf der Vernetzung der Klassenräume und demWLAN- Ausbau in einzelnen Schulen. Wir wollen mit dem Digitalpakt aber auch langfristige Struktur­ veränderungen erreichen. Lan­ desweite Projekte werden vor­ bereitet. Da geht es um die Entwicklung oder Weiterent­ wicklung von Lernplattformen und von zentralen Lösungen für Wartung und Support. Au­ ßerdem laufen Vorbereitungen für länderübergreifende Pro­ jekte zum datenschutzkon­ formen Zugang bei digitalen Anwendungen. Der Präsident der Kultusminis­ terkonferenz, Ralph Alexander Lorz, hat bereits einen „Digital­ pakt II“ gefordert. Auch der dbb hat mehrfach kritisiert, dass fünf Milliarden Euro ver­ teilt auf fünf Jahre nicht aus­ reichen. Wäre eine Versteti­ gung der Investitionen nicht sinnvoll? Der Digitalpakt will einen Innovationsimpuls setzen und nachhaltige Strukturverände­ rungen erreichen. Eine Verste­ tigung der Mittel wird vor al­ lem bei Support und Wartung gefordert, aber gerade hier löst eine Verstetigung gar nicht das Problem. Wir brauchen Kon­ zepte für die professionelle Be­ treuung der IT-Infrastruktur, zum Erhalt des Betriebs und zum Schutz gegen Eingriffe. Dafür braucht es gute IT-Netz­ werke in Schulen. Der Digital­ pakt sieht deswegen aus­ drücklich eine regionale oder landesweite Förderung der Entwicklung professioneller Supportlösungen vor. Ich den­ ke auch, dass alle Beteiligten jetzt erst einmal die nächsten Schritte wirklich machen und nicht schon wieder über die übernächsten Schritte spre­ chen sollten. Der Lehrermangel entwickelt sich zu einem der zentralen Probleme des Bildungsstand­ orts. Quereinsteiger können sicher nur vorübergehend Ab­ hilfe schaffen. Wie wollen Sie hier nachhaltige Verbesserun­ gen erreichen? Quereinsteiger können mit ih­ rer Erfahrung und demWissen aus anderen Arbeitsbereichen Schule und Unterricht berei­ chern. Aber natürlich ist eine pädagogische Ausbildung, oder zumindest berufsbegleitende Maßnahmen, unabdingbar für eine erfolgreiche Arbeit als Lehrkraft. Wir dürfen uns mit dem jetzigen Zustand nicht ab­ finden. Der Beruf des Lehrers muss attraktiv sein. Und wir brauchen künftig genügend Lehramtsstudienplätze. Dabei unterstützt mein Haus die Län­ der auch hier mit der „Quali­ tätsoffensive Lehrerbildung“. Mir ist wichtig, die Qualität der Lehramtsausbildung zu verbes­ sern. Gerade haben wir eine neue Förderrunde mit den Schwerpunkten „Berufliches Lehramt“ und „Digitalisierung in der Lehrerbildung“ erfolg­ reich gestartet. Insgesamt werden jetzt 91 Projekte mit 72 beteiligten Hochschulen in Deutschland davon profitieren. Im Hochschulbereich gibt es immer noch eine ausufernde Befristungspraxis, gerade beim Nachwuchs, den Hilfskräften und im akademischen „Mittel­ bau“. Was wollen Sie unterneh­ men, um mehr Sicherheit und Planbarkeit für die Beschäftig­ ten zu schaffen? Wir haben den Zukunftsver­ trag „Studium und Lehre stär­ ken“ geschlossen. Damit stel­ len BMBF und Länder rund vier Milliarden Euro jährlich und dauerhaft zur Verbesserung der Studien- und Lehrqualität an den Hochschulen bereit. Und das zusätzlich zur Grund­ finanzierung. Damit unter­ stützen wir auch den Ausbau unbefristeter Beschäftigungs­ verhältnisse. Maßnahmen zur länderspezifischen Umsetzung werden künftig in sogenann­ ten Verpflichtungserklärun- gen der Länder festgelegt, die verbindliche Erklärungen zur Betreuungssituation an den Hochschulen beinhalten. Deren Umsetzung wird dabei öffentlich nachvollzieh- und überprüfbar sein. Die Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung will Deutschland an die Spitze der nächsten technologischen Re­ volutionen stellen. Derzeit ist es so, dass andere Länder die Bundesrepublik in wichtigen Forschungsfeldern wie der Künstlichen Intelligenz weit hinter sich lassen. Haben wir uns zu lange auf vergangenen Erfolgen ausgeruht? Die KI-Forschung in Deutsch­ land ist gut aufgestellt. Mit dem Deutschen Forschungs­ zentrum für Künstliche Intelli­ genz haben wir das größte KI- Forschungsinstitut weltweit. Die Bundesregierung hat kürz­ lich beschlossen, eine halbe Milliarde Euro zusätzlich in Maßnahmen zur KI-Förderung zu investieren. Es ist richtig, dass auch andere Länder eine hohe Dynamik in diesem Be­ reich entwickeln. Wir müssen uns schneller anpassen und auch mehr wagen. Die High­ tech-Strategie 2025 setzt hier an. Über die werden wir es schaffen, auch in Zukunft in Technologiefeldern wie KI, Umwelttechnik, Gesundheit und Mobilität Weltklasse zu sein. Wir dürfen uns selbst nicht immer schlechtreden, bei allem notwendigen kri­ tischen Blick auf Entwick­ lungen. << Anja Karliczek . . Jahrgang 1971, ist seit März 2018 Bundesministerin für Bildung und Forschung im Kabinett Merkel IV. Die gebürtige Westfälin trat 1998 über die Junge Union in die CDU ein und gehörte seit 2004 dem Rat der Stadt Tecklenburg an. 2013 und 2017 gewann die studierte Betriebswirtin und gelernte Hotelfach- und Bankkauf­ frau imWahlkreis Steinfurt III jeweils ein Direktmandat für den Deutschen Bundes­ tag. Im Januar 2017 wurde die gläubige Katholikin in einer Sitzung der CDU/CSU- Bundestagsfraktion zur Par­ lamentarischen Geschäfts­ führerin gewählt. Karliczek war im Deutschen Bundes­ tag Mitglied des Finanzaus­ schusses sowie stellvertre­ tendes Mitglied im Haus­ haltsausschuss und im 4. Untersuchungsausschuss und von Oktober 2013 bis Januar 2017 ordentliches Mitglied des Tourismusaus­ schusses. Anja Karliczek ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. 5 dbb > dbb magazin | Juli/August 2019

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