dbb magazin 9/2019

vorgestellt Enrico Brissa: „Auf dem Parkett“ Plädoyer für die schönen Künste der Höflichkeit Auf dem Parkett: Wie bringt man einen Toast aus? Wie entschuldigt man sich stilvoll? Wie lernt man, mit Komplimenten umzugehen? Die Verunsicherung, was die Formen des Um­ gangs miteinander angeht, ist in Zeiten digita­ ler Kommunikation mit all ihren Entgleisungen und Kurznachrichten größer denn je. On- und offline wird gelogen, gepöbelt und beleidigt, was das Zeug hält, umstandslos ge­ duzt, gerempelt, gedrängelt und geschubst. Enrico Brissa, langjähriger Protokollchef des Bundespräsidialamtes und seit 2016 Leiter des Protokolls beim Deutschen Bundestag, liefert mit seinem unterhaltsamen „Kleinen Handbuch des welt­ läufigen Benehmens“ vielfälti­ gen und unterhaltsam verfass­ ten Rat und ein Plädoyer für die schönen Künste der Höflichkeit. In einer Zeit, in der das Ge­ spräch miteinander nur noch aus kurz(atmig)en Nachrichten via WhatsApp, Twitter, Insta­ gram und Facebook besteht und die Verrohung, zumindest „gefühlt“, zunehmend um sich greift, kommt das Buch „Auf dem Parkett. Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens“ von Enrico Brissa genau richtig. Anhalten in der Hektik des All­ tags, sich zurückbesinnen auf Werte wie Respekt und Rück­ sicht – zu diesem Zweck ist das kleine Buch eine perfekte Handreichung. Autor Enrico Brissas hehres Ziel: Er will die Leser für die schönen Künste der Höflichkeit begeistern. In einem kurzweiligen Sammelsu­ rium hat er Begriffe des tägli­ chen Miteinanders (von A wie „Absage“ bis Z wie „Zurückhal­ tung“) mit kurzen Erläuterun­ gen zusammengestellt. Dabei geht es weniger um die korrek­ te Ausübung äußerlicher Ver­ haltensweisen oder verbindli­ che Regeln, sondern vielmehr um eine Art innere Kultiviert­ heit, eine Haltung und einen souverän höflichen Stil im zwi­ schenmenschlichen Umgang. << Regeln als Ausdruck von Achtsamkeit Enrico Brissa, Sohn eines Italie­ ners und einer Deutschen, wur­ de 1971 in Heidelberg geboren. Der promovierte Jurist arbeite­ te zunächst in der Verwaltung des Deutschen Bundestages, bevor er 2011 ins Bundespräsi­ dialamt wechselte, wo er als Protokollchef der Bundespräsi­ denten Wulff und Gauck tätig war. Seit 2016 leitet er das Pro­ tokoll beim Deutschen Bundes­ tag. Daneben unterrichtet er als Lehrbeauftragter an der ju­ ristischen Fakultät der Univer­ sität Jena. Brissa ging, wie er in seinem Vorwort anschaulich schildert, durch die harte Schu­ le seiner italienischen Familie und lernte: Es ist nicht immer leicht, sich gut zu benehmen – aber es lohnt sich. Regeln seien keine Willkür, sondern Ausdruck von Acht­ samkeit und Respekt für den anderen. Also das, was Gesell­ schaften brauchen, die zivili­ siert sein wollen. Das klinge vielleicht trivial. Aber mit der äußeren Ordnung des Proto­ kolls gehe eine innere Ordnung der Demokratie und Rechts­ staatlichkeit einher. << Stilfragen des modernen Lebens Brissas Ratgeber hat echten Gebrauchsnutzen. Neben den Standards, unter anderem be­ kannt als „preußische Tugen­ den“ wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Aufrichtigkeit und Zurückhaltung, liefert er Antworten auf zahlreiche Stilfragen des modernen Ge­ sellschaftslebens: Wer zahlt wann welche Rechnung im Restaurant (was bei einem Rendezvous passt, wäre beim Lunch mit einer Kollegin/einem Kollegen vielleicht unpassend)? Wann wird die Allgegenwart des Handys zum Problemfall für die guten Manieren (der laute Samba-Klingelton im Gottesdienst )? Gelten die allgemeinen Korrespondenz­ regeln – Anrede, Schlussfor- mel, Orthografie und der rich­ tige Ton – eigentlich auch für E-Mails (aber selbstverständ­ lich!)? Und wenn in großen Un­ ternehmen das Du als Anrede verordnet wird, „ist dies letzt­ lich nur ein Akt der Hilflosig­ keit“, findet Brissa, „allgemei­ nes und angeordnetes Geduze führt den nachvollziehbaren Wunsch nach Vertrautheit und Nähe ja geradezu ad absurdum.“ Pointiert, eloquent und den Fin­ ger immer wieder ins verwun­ dete Benehmen des 21. Jahr­ hunderts legend, formuliert der Protokollexperte einen aktuel­ len Benimmkompass. Im „Klei­ nen Handbuch“ klingt konse­ quent durch, was Enrico Brissa nicht müde wird zu betonen und in einem Interview mit der „Welt“ einmal so formuliert hat: „Zivilisiertes Verhalten ist keine bourgeoise Verzierung, auch nicht nur Ausdruck von Rücksichtnahme. Sondern ein ganzes Repertoire an wichtigen Friedensgesten. Wir signalisie­ ren einander damit, dass wir uns nicht totschlagen werden.“ In diesem Sinne: Rauf aufs Parkett! iba << „Auf dem Parkett. Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens“ von Enrico Brissa, erschienen im Siedler Verlag, ISBN: 978-3-8275-0112-7, 18 Euro. << Kennt sich aus auf dem Parkett: Enrico Brissa, langjähriger Protokollchef des Bundespräsidialamtes und seit 2016 Leiter des Protokolls beim Deut­ schen Bundestag, liefert mit seinem unterhaltsamen „Kleinen Handbuch des weltläufigen Benehmens“ unterhaltsamen Rat für die schöne Kunst des guten Benehmens. © Urban Zintel 16 dbb > dbb magazin | September 2019

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