dbb magazin 9/2019

hungsweise der diesen Dimensi­ onen zugeordneten Akteure im Einzelfall dominiert und damit die Regeln vorgibt. Dort wo sich Staat, Markt und Gemeinschaft mehr oder weniger gleichge­ wichtig überlagern, wird von der Existenz „guten Regierens“ (good governance arrange­ ments) ausgegangen. Die den verschiedenen Dimensionen zugrunde liegenden Logiken unterstützen sich gegenseitig und tragen damit sowohl zur Stabilisierung ihrer je eigenen Strukturen und Regeln wie auch denen des Gesamtsystems bei. So (ökonomisch) produktiv, (politisch) demokratiefördernd und (gesellschaftlich) partizipa­ torisch derartige Arrangements auch sein mögen, so negativ und destabilisierend erscheinen ihre Effekte im Fall unilateraler, beziehungsweise nicht abge­ stimmter Einmischung – oder Usurpation – seitens eines „Partners“ in die Belange des anderen. Die gegenwärtige Populismusdebatte geht im Grunde genommen davon aus, dass es im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einer solchen Usurpation gekommen ist und zwar primär seitens des Mark­ tes und des zugrunde liegenden neoliberalen Mantras bezie­ hungsweise der dieses Mantra propagierenden Akteure, das heißt großer multinationaler Konzerne und Banken. Die entsprechenden Effekte auf Politik und Gemeinschaft, be­ ziehungsweise Zivilgesellschaft, lassen sich ungefähr folgender­ maßen charakterisieren. In der Politik beobachten wir als Folge der Einführung neuer Manage­ menttechniken („New Public Management“) Prozesse der Deregulierung und partiellen Deinstitutionalisierung vor al­ lem derjenigen Institutionen, die bisher markteinhegend ge­ wirkt haben. Zunehmend inklu­ siver werdende Praktiken der Elitenrekrutierung (Michael Hartmann) sowie die Schrump­ fung der Volksparteien und die Implosion des Parteiensystems beziehungsweise des politischen Zentrums tragen ihrerseits zu einem umfassenden politischen Mentalitätswandel bei. In gesellschaftlichen Zusam­ menhängen beobachten wir ei­ nen partiellen Zerfall und eine Fragmentierung nicht nur von frei gewählten Gemeinschaften („communities of choice“) wie etwa Gewerkschaften, Unter­ nehmerverbände, soziale Be­ wegungen, sondern auch von Schicksalsgemeinschaften („communities of fate“) wie Familien, Nachbarschaften, Kirchen und Religionsgemein­ schaften. Die Explosion von Ungleichheit und die Erosion gesellschaftlichen Zusammen­ halts kann dabei in Extremfäl­ len durchaus pathologische For- men individueller und kollek- tiver Anomie (Regellosigkeit) annehmen. Wenn auch in un­ terschiedlichemMaße ist von den genannten Prozessen prak­ tisch die gesamte Gesellschaft betroffen und nicht nur die Wähler rechtspopulistischer Parteien. Dabei haben sich letz­ tere in der Tat darauf speziali­ siert, existierende Unzufrieden­ heit und Unsicherheiten auf raffinierte, das heißt polythe­ matische Art und Weise (Finanz­ krise, Flüchtlingskrise, instituti­ onelle Krise) auf ihre Mühlen zu lenken und dabei imWesentli­ chen drei Ziele zu formulieren: Re-Nationalisierung, Re-Verge­ meinschaftung und Re-Souverä­ nisierung. Jürgen R. Grote Der Beitrag in voller Länge in den dbb europathemen: https://bit.ly/316hQW5 << Der Autor Der Soziologe Dr. Jürgen R. Grote war unter anderem als Marie Curie Chair of Excel­ lence an der Karlsuniversität in Prag tätig und ist seit zwei Jahren als Senior Researcher am Berliner Dialogue of Civi­ lizations Research Institute beschäftigt, wo er vor allem die Bereiche Governance und Institutions bearbeitet. > dbb magazin | September 2019 dbb

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