dbb magazin 9/2019

online die Community nachvollzieh­ bar zu begründen. Diese Kom­ munikation soll letztlich die Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen erhöhen – etwa auch, wenn die Politik aus vernünftigen Gründen ge­ gen die Meinung der Commu­ nity abgestimmt hat. Bisher haben rund 75000 Menschen Democracy auf ihren Smart­ phones installiert und mehr als 750000-mal abgestimmt. Per Crowdfunding-Kampagne hatte der Göttinger Marius Krüger 35 000 Euro Startkapi­ tal für die App gesammelt und mit zwei Entwicklern seines eigens gegründeten Vereins DEMOCRACY e. V. umgesetzt. Gestartet ist die App am 1. Ok­ tober 2018. Der 25-jährige Be­ triebswissenschaftler ist laut „Göttinger Tageblatt“ über die Praxis auf die Idee gekommen. << Theorie und Praxis „Den Anstoß, eine solche App auf den Markt zu bringen, gab ein Wahlplakat“, sagte er der Zeitung imMai 2019. Dort habe ein Bundestagsabgeordneter mit dem Slogan „Für Frieden und Abrüstung“ um seine Wie­ derwahl geworben. Nach einer neugierigen Recherche, wie der Abgeordnete bei entsprechen­ den Abstimmungen im Bundes­ tag die Hand gehoben hatte, fand er heraus, „dass er immer Militäreinsätzen und Rüstungs­ exporten zugestimmt hatte“. Das und die Erkenntnis, dass immer weniger Menschen dem Regierungshandeln vertrauen und spürbar unzufrieden mit der Politik sind, habe den Aus­ schlag gegeben, für mehr Trans­ parenz sorgen zu wollen. Zu rund 800 Gesetzgebungs­ verfahren und 1 500 Anträgen pro Legislaturperiode können die Nutzer über die App Stel­ lung beziehen und direkt ab­ stimmen. „Alle Ergebnisse wer­ den in der App publiziert und den Abgeordneten noch vor ihrer offiziellen Entscheidung als anonymisiertes Stimmungs­ bild aus der Bevölkerung über­ geben“, sagt Marius Krüger, „so haben Politiker eine Chance, ihren Standpunkt mit Volkes Stimme abzugleichen, bevor sie wichtige Gesetze absegnen. Für die Bürger wächst zudem die Einflussnahme auf politi­ sche Entscheidungen.“ Die Hertie-Stiftung unterstützt DEMOCRACY e. V. mit einem Förderbeitrag, ab 2019 soll sich die kostenlose App über Paten­ schaften finanzieren. „Marius Krüger und sein Team beweisen, dass sich die Übernahme von Verantwortung und eine klare Haltung lohnen, wenn es darum geht, unsere Demokratie trans­ parenter, partizipativer und tat­ sächlich auch besser zu machen“, sagt Kaija Landsberg, Geschäfts­ führerin der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. „Damit geben sie ein Beispiel von Civic Leader­ ship im besten Sinne und stär­ ken unsere Demokratie.“ br Nachgefragt bei ... ... Democracy-Gründer Marius Krüger Die App bündelt die Parlaments- vorlagen sehr gut und erspart Nutzerinnen und Nutzern die Suche. Wer aber wirklich „rich- tig“ über ein Gesetzesvorhaben abstimmen will, kommt um das Studium der zum Teil umfang- reichen Unterlagen nicht her- um. Verfälscht es die Abstim- mungsergebnisse, wenn zu viele Nutzer stattdessen „nach Bauchgefühl“ entscheiden? Die Beweggründe der Abstim­ menden können wir natürlich nicht bestimmen. Grundsätz­ lich gilt aber, je umfassender ein Individuum informiert ist, desto vernünftigere Entschei­ dungen kann es treffen. Wenn „Bauchgefühl“ ein Abstim­ mungsverhalten nach Titeln meint, können wir das tatsäch­ lich beobachten: Besonders einfach formulierte Anträge mit einer Position im Titel wer­ den deutlich mehr abgestimmt als komplexe Paragrafenge­ setze. Auf der anderen Seite melden uns Nutzer regelmäßig Rechtschreibfehler in offiziel­ len Gesetzesdokumenten des Bundestages. Ich denke, man kann da nicht generalisieren. Leider können wir in unserer App nur die Originalgesetzes­ texte des Bundestages anbie­ ten, welche doch eine erhebli­ che Komplexität aufweisen. Wir haben deshalb schon bei der Bundeszentrale für Politi­ sche Bildung angefragt, ob wir nicht gemeinsam einen Arbeits­ kreis initiieren können, der die Parlamentstexte vereinfacht – leider bislang ohne Erfolg. Fortsetzung ▶▶ 33 dbb > dbb magazin | September 2019

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