dbb magazin 9/2019

online Die Frage ist also vielmehr, wie man das Werkzeug und dessen Ergebnisse wertet: Ein Nutzer kann zum Beispiel immer mit Nein stimmen, wenn er ein Ge­ setz oder einen Antrag nicht versteht. Oder ein Nutzer stimmt tatsächlich darüber ab, ob er mit der Aussage des Titels oder der konkreten Ausgestal­ tung des Vorschlags überein­ stimmt. Sind deren Stimmen deswegen illegitim? Aus unserer Perspektive nicht. Nur sind sie eben auch nicht repräsentativ, was wir deshalb auch konkret unter jedes Ergebnis schreiben. Die moderne Wahlforschung zeigt übrigens, dass bei Wahlen vor allem über Gesichter auf Wahlplakaten und nicht über die konkreten Inhalte abge­ stimmt wird. In Analogie zu oben könnte man hier auch fragen: Sind diese Stimmen illegitim? Democracy möchte das Abstim- mungsverhalten der Politik transparent machen. Wie trans- parent ist aber die Democracy- Community selbst? Besteht die Gefahr, dass die App einseitig von zu vielen Nutzern einer be- stimmten politischen Strömung genutzt wird, um Stimmungs- bilder zu verfälschen? Diese theoretische Gefahr besteht immer, auch wenn sie praktisch, das zeigen Bei­ spiele der jüngeren Vergangen­ heit, kaum eine Relevanz hat. Wir haben sehr großen Wert darauf gelegt, dass die Nutzer eine möglichst anonyme Ab­ stimmung abhalten können. Deshalb führen wir entgegen der Meinungsforschung, die damit ihr Geld verdient, auch keine Analyse der Community durch. Bei uns erwirbt man sein Stimmrecht mit einem Smartphone und einer deut­ schen Handynummer. Wei- tere soziografische Marker fragen wir nicht ab. Über die politische Grundeinstellung unserer Nutzer können wir insofern nichts sagen. Die Abstimmungsergebnisse zeigen allerdings deutlich, dass unsere Community eine erhebliche Diversität aufweist. Während für gewöhnlich links- grüne Themen starke Zustim­ mung erhalten, hat zu unse­ rem Erstaunen auch ein AfD- Antrag „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor ausländi­ schen Gefährdern“ eine knap­ pe Mehrheit gefunden. Repräsentativität können wir zwar noch nicht nach­ weisen, sind aber dabei, ein entsprechendes Verfahren zu entwickeln. Bis dieses steht, beanspruchen wir in der Öf­ fentlichkeit keine Repräsenta­ tivität für unsere Ergebnisse. Wie stellen Sie technisch sicher, dass keine Manipulationen stattfinden können? Wir stellen mit unserem Ab­ stimmverfahren sicher, dass jede deutsche Handynummer genau einmal zu jedem Vorha­ ben abstimmen kann. Das von uns gewählte Wahlverfahren erfüllt zwar das Kriterium der Anonymität, nicht aber das der individuellen Verifizierbarkeit. Wie viele Politiker welcher Parteien nutzen die Demo­ cracy-App aktiv? 17 Bundestagsabgeordnete über alle Fraktionen haben sich bereits positiv zu unserer App geäußert. Bislang hat allerdings noch kein Politiker Interesse angemeldet, sein Abstimmungsverhalten öf­ fentlich über unsere App zu begründen. << Marius Krüger © Hertie Innovationskolleg Digitalisierung der Verwaltung Deutschland immer noch „Entwicklungsland“ Der dbb Bundesvorsitzende rät, bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nicht allein auf künstliche Intelligenz (KI) zu setzen. Im „Interview der Woche“ mit dem Bayerischen Rundfunk (B5, 27. Juli 2019) erklärte Ulrich Silberbach, dass Deutschland im internationalen Vergleich in Sachen digitale Verwaltung im­ mer noch „Entwicklungsland“ sei. Silberbach: „Bürgerin und jeder Bürger, die heute in eine Verwaltung kommen, haben doch kein Verständnis dafür, dass sie mit ihrem Handy die halbe Welt bewegen können, aber es nicht schaffen, eine normale Verwaltungsdienst­ leistung digital abzurufen.“ Das Onlinezugangsgesetz der Regierung sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, gehe aber beispielsweise beim The­ ma bundeseinheitliche Stan­ dards nicht weit genug. Auch was Zeitplan, Fortbildungsan­ gebote für die Beschäftigten und zur Verfügung stehende Budgets angeht, müsse Deutsch­ land ambitionierter vorgehen, „sonst landen wir in der Stein­ zeit 3.0“, so Silberbach. Es geht bei der Digitalisierung der Verwaltung vor allem um die Automatisierung von Routi­ nevorgängen. Bei den meisten wichtigen und folgenschweren Entscheidungen sei weiterhin das Ermessen des jeweiligen Sachbearbeiters entscheidend, so der dbb Chef. Hier stößt der Einsatz künstlicher Intelligenz schnell an seine Grenzen: „Wenn ich ein betagter Mitbür­ ger bin und habe ein komplexe­ res Problem, dann möchte ich von Mensch zu Mensch reden. Dann will ich, dass ich mein Pro­ blem schildern kann und ich will eine Lösung mit den Kollegin­ nen und Kollegen vom Amt er­ arbeiten. Das kann die Maschi­ ne nicht, die kann Hilfestellung geben bei der Entscheidung, aber sie darf niemals die Ent­ scheidung treffen.“ © Colourbox.de 34 dbb > dbb magazin | September 2019

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