dbb magazin 11/2019

europa nehmlich mit fossilen Energie­ trägern gestillt, „weil sie vor­ handen sind“. In diesem Zusam- menhang forderte Müller eine Internationalisierung des Kli­ maschutzes, „damit auch in Afrika Jobs entstehen und ein besserer Zugang zu Bildung möglich ist“. Letztlich drängten pro Jahr bis zu 30 Millionen junge Arbeits­ kräfte auf die Märkte: „Wir tragen eine gemeinsame Ver­ antwortung, dass die jungen Leute, die sich auf eine gefähr­ liche Flucht ins reiche Europa begeben, keinen Grund haben, ihre Heimat zu verlassen. Die meisten haben keinen Job und keine Ausbildung, sondern nur ein Handy. Und auf dem sehen sie täglich trügerische Bilder vom Leben im fernen Europa, wo die Reichen etwa auf dem Oktoberfest feiern und sau­ fen.“ Die EU könne Migration nur steuern und tragische Fluchtschicksale verhindern, wenn sie fördere, fordere und vor allem den Transfer von Bildung forciere. << Verschiedene Blickwinkel angleichen Deutlich größere Nähe zu den originären Interessen der Be­ wohner Afrikas reklamierte Ab­ dou Rahime Diallo. „Europäer und Afrikaner haben komplett verschiedene Blickwinkel“, stell­ te der aus Guinea stammende Vorsitzende und Mitbegründer des Netzwerks Migrantenorga­ nisationen Brandenburg fest. Während sich die Europäer mal mehr, mal weniger mit den Ver­ heerungen auseinandersetzten, die sie zur Kolonialzeit ange­ richtet hatten, sagten Afrikaner „Hey, wir haben überlebt“, und kämen so auch damit klar, dass im Umgang mit Afrika noch im­ mer koloniale Untertöne mit­ klängen. „Deshalb finde ich es bedauer­ lich, dass heute Abend nicht mehr Leute aus Afrika hier mit auf dem Podium sitzen“, sagte Diallo, der unter anderemMi­ nisterien der Afrika-Karibik-Pa­ zifik-Region in der Migrations- und Entwicklungspolitik berät. Wie Bundesentwicklungsmi­ nister Gerd Müller empfahl auch Diallo, für eine erfolg­ reiche Förderung auf gezielte Partnerschaften mit einzelnen Ländern zu setzen und dabei genauestens auf die Einhal­ tung sozialer Standards zu ach­ ten. „In Äthiopien verdient eine Näherin noch immer deutlich weniger als ihre schlecht be­ zahlte Kollegin in Bangladesh: Was tun wir da?“ << Afrika ist nicht gleich Armut Tobias Gerster, Abteilungsleiter Afrika Überregional bei der Deutschen Gesellschaft für In­ ternationale Zusammenarbeit (giz), bedauerte, dass der Ar­ mutsbegriff „das Bild von Afri­ ka leider noch allzu oft be­ stimmt“. Dabei sei Afrika der „Kontinent der Zukunft, der Jugend und der Vielfalt“. Zu­ dem befände sich dort ein gro­ ßer Teil der schnellstwachsen­ den Wirtschaften weltweit. „Afrika sollte daher nicht Ge­ genstand unseres Gutmen­ schentums sein, sondern unser Partner auf Augenhöhe wer­ den“, appellierte er. Von der Europäischen Union wünscht sich Gerster künftig eine partnerschaftlichere Ori­ entierung gegenüber Afrika: „Man muss mehr miteinander reden und mehr voneinander lernen.“ In puncto Migration stellte Gerster klar, dass „die bei Weitem größten Anteile der Migration auf dem afrika­ nischen Kontinent selbst statt­ finden und sich mehrheitlich nicht in Richtung Europa bewe­ gen“. Dieser Umstand sollte in keiner Diskussion fehlen. << Wirtschaftliche Chancen nutzen „Die deutschen Unternehmen, die in Afrika investieren, ver­ stehen sich nicht als entwick­ lungspolitische Akteure“, stell­ te der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deut­ schen Wirtschaft, Christoph Kannengießer, klar: „Da geht es nicht um altruistische Moti­ ve, sondern um wirtschaftli­ che.“ Gleichwohl hätten ihre Investitionen positive Entwick­ lungseffekte, schließlich ent­ stünden dringend gebrauchte Arbeits- und Ausbildungsplät­ ze. Bedenklich sei allerdings, dass die deutsche Wirtschaft beim Ranking der Direktinves­ titionen in Afrika nur imMit­ telfeld lande: „Da liegen wir sogar noch hinter Malaysia.“ Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft appellierte hier an die Bundesregierung, die staat­ liche Risikoabsicherung auszu­ bauen. „Vor allem bei den rege­ nerativen Energien gibt es für die deutsche Wirtschaft in Afri­ ka große Chancen. Der Konti­ nent könnte – entsprechende Investitionen vorausgesetzt – seinen Energiebedarf mit Solar- und Windkraftwerken eines Ta­ ges selbst decken – und das ist genau die Branche, in der der deutsche Mittelstand welt­ markführend ist,“ so Kannen<< Abdou Rahime Diallo << Tobias Gerster << Christoph Kannengießer 31 dbb > dbb magazin | November 2019

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