dbb magazin 11/2019

aktuell werden.“ Auf einem permanent aktualisierten Online-Dash­ board, das perspektivisch ver­ öffentlicht werden soll, könne künftig jede und jeder genau verfolgen, welche Dienstleis­ tungen des Staates wo digital zur Verfügung stehen. Als eine Ursache für die „ge­ fühlte Ewigkeit“ der digitalen Transformation in Deutschland nannte Christiansen die födera­ len Organisations- und Rechts­ grundlagenstrukturen. „Wir mussten immerhin erst das Grundgesetz ändern, damit Bund und Länder für das Online- Zugangsgesetz überhaupt zu­ sammen arbeiten dürfen“, er­ innerte sie. „So etwas bremst natürlich auf demWeg zum modernen Staat.“ Zugleich nut­ ze man indes auch die operati­ ven Vorteile, die der Föderalis­ mus biete: Anstatt 16-mal ein neues Programm für einen über­ all gleichen Prozess zu schreiben, habe man die zu digitalisieren­ den Verfahren schwerpunkt­ mäßig auf bundesweit 14 Digi­ talisierungslabore aufgeteilt, in denen jeweils Bund, Länder, Anwender und Zielgruppen gemeinsam an den Lösungen arbeiten. „Die nächste Heraus­ forderung wird dann natürlich das Roll-out der Anwendungen“, räumte Christiansen ein, „hierzu müssen insbesondere noch zahl­ reiche rechtliche Anpassungen erfolgen, damit letztlich überall im Land jeweils die vollständige Digitalisierung vom Antrag bis hin zum Bezahlvorgang realisiert werden kann“. Gleichwohl erfol­ ge mit der Entwicklung der Pro­ totypen bereits ein großer Um­ setzungsschritt. „Bis 2021 wer- den wir wirklich liefern können“, versprach die Abteilungsleiterin. << Hecht: Lost in Fachverfahren? „Lost in Fachverfahren?“ hatte Stefanie Hecht vom Fraunhofer Institut für Offene Kommuni­ kationssysteme FOKUS über ihren Impulsvortrag geschrie­ ben. Die wissenschaftliche Mit­ arbeiterin Digital Public Servi­ ces (DPS) ging der Frage nach, wie sich IT-Projekte in der Pra­ xis erfolgreich umsetzen las­ sen: „Das gelingt vor allem, wenn die Leute, die später mit der Anwendung arbeiten sol­ len, frühzeitig in den Prozess einbezogen werden. Damit lässt sich die Gebrauchstaug­ lichkeit der Software, die soge­ nannte Usability, signifikant verbessern und sogar Geld spa­ ren, weil nicht erst nach Inbe­ triebnahme der Anwendung aufwendig umprogrammiert werden muss.“ Diese auf über­ prüfbaren methodischen Stan­ dards beruhende Herangehens­ weise bei der Implementierung digitalisierter Arbeitsvorgänge sei bei Start-up-Unternehmen üblich. „Die Start-ups sind zwar in der Weiterentwicklung von IT-Prozessen sehr innovativ, haben aber in der Regel be­ grenzte finanzielle Mittel zur Verfügung und versuchen des­ halb möglichst genau heraus­ zubekommen, was ihre Nutzer brauchen“, erläuterte Hecht. „Weil auch im Bereich der öf­ fentlichen Verwaltung kein Geld für große Experimente bei der Verwaltungsdigitalisierung vor­ handen ist, sind wir vom Leib­ nitz-Institut dort inzwischen immer häufiger als Berater ge­ fragt“, berichtete die Expertin. „Unsere Usability-Begleitung erfolgt jeweils aus vier Arbeits­ schritten: Verstehen, spezifizie­ ren, gestalten und evaluieren, wobei wir für den letzten Ver­ fahrensschritt intensiv mit den von der Umstellung Betroffenen kommunizieren.“ Die Evaluie­ rung besteht aus einemMix empirischer und analytischer Methoden: „Zu den analyti­ schen Methoden gehört etwa die Untersuchung auf Standard­ konformität nach DIN- und ISO- Richtlinien. In Kombination mit empirischen Anwendertests lässt sich dann ein realistisches Bild von Stärken und Schwä­ chen eines Projektes gewinnen,“ erklärte Stefanie Hecht. << Partei-Jugenden in der Fishbowl In der Fishbowl-Runde des Ideencampus stellten sich Ria Schröder von den Jungen Libe­ ralen, Maximilian Görlich von der Jungen Union, Max Lucks von der Grünen Jugend, Sepp Parzinger von den Jusos und Maximilian Schulz von der linksjugend den Fragen aus dem Publikum zur Zukunft des öffentlichen Dienstes. Ria Schröder, Bundesvorsitzen­ de der JuLis, sprach sich für ein Digitalministerium auf Bundes­ ebene aus, warnte aber vor un­ sachgemäßem Vorgehen bei der Zentralisierung der Digita­ lisierungsprozesse in der Ver­ waltung: „Es sollte eine Koor­ dinierungsstelle geben, die als Schnittstelle fungiert, die die unterschiedlichen Verwal­ tungsebenen untereinander, aber auch ebenenübergreifend vernetzt – im Sinne einer Best- Practice-Austauschplattform.“ Wichtig sei eine demokratische Ausgestaltung der digitalen Prozesse. Skeptiker müssten ebenso mitgenommen werden wie digital aufgeschlossene Be­ schäftigte. „Nur dann wird man damit nachhaltig Erfolg haben“, meint Schröder. Auch in Sa­ chen Weiterbildung müsste dringend ein neues Bewusst­ sein geschaffen werden, um die vorhandenen Fachkräfte zu motivieren. „Die Ausbildung endet nicht mit dem Abschluss. Man ist nie fertig“, machte Schröder deutlich. Skeptisch gegenüber einer zu zentralisiert ausgerichteten Di­ gitalisierung zeigte sich Maxi­ milian Görlich von der Jungen Union. „Entscheidend ist, dass wir die Beschäftigten mitneh­ men und den Prozess demo­ kratisieren. Dazu gehört auch, gute Lösungen und Kompeten­ zen verschiedener Ebenen an­ zuerkennen und zu schützen.“ Um entsprechend befähigtes << Eva Christiansen, Abteilungsleiterin für Innovation und Digitalpolitik im Bundeskanzleramt, berichtete über die Digitalisierungsstrategien und -erfolge der Bundesregierung. << Stefanie Hecht vom Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssys­ teme FOKUS nahm die Nutzerperspektive in den Blick: „Wenn die Leute, die später mit der Anwendung arbeiten sollen, frühzeitig in den Prozess einbezogen werden, lässt sich die Gebrauchstauglichkeit der Software signifikant verbessern.“ 9 dbb > dbb magazin | November 2019

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