dbb magazin 12/2019

frauen Frauenförderung im öffentlichen Dienst Gleichstellung muss Chefsache sein Die dbb bundesfrauenvertretung warnt vor weiteren Rückschritten bei der Gleichstellung von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst und in der Gesellschaft. Sie fordert deshalb ein klares Bekenntnis der Dienstgebenden zum verfassungsrechtlichen Gleichstellungsgrundsatz. „Gleichstellungsförderung ist erklärtes Ziel der Bundesregie- rung. Bei dem schleppenden Tempo, das die Dienstgeben- den dabei vorlegen, werden sie bis 2125 nicht damit fertig sein. Hier muss deutlich mehr passieren. Gleichstellung muss Chefsache sein“, machte Hele- ne Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, am 8. November 2019 deutlich. Derzeit fehle in der Bundesver- waltung ein stringentes, res- sortübergreifendes Personal- entwicklungskonzept, das den gendergerechten Kulturwan- del unterstütze, „und zwar weg vom Vollzeit-allzeit-bereit- Denken, weg von der Präsenz- kultur, weg vommännlichen Idealarbeitsverlauf ohne Un- terbrechungen. Die Beurtei- lungspraxis muss zeitgemäß und geschlechtergerecht ge- staltet werden, insbesondere auch bei der Formulierung von Beurteilungskriterien.“ Auch in gesellschaftspoliti- scher Hinsicht müsse der öf- fentliche Dienst noch deutli- cher als bisher Vorbild sein und den verfassungsrechtlichen Gleichstellungsgrundsatz vor- ne anstellen. „Gleichstellung ist kein Selbstläufer. Das zeigen die erstarkenden politischen Kräfte, die Gleichstellung von Männern und Frauen als ‚Gen- derwahnsinn‘ titulieren und die, wo sie können, Gleichstel- lungsbestrebungen in Landta- gen, im Bundestag blockieren, verhindern und politisch an- greifen“, warnte Wildfeuer. Der dbb und seine Mitglieds­ gewerkschaften seien hier ebenfalls in der Pflicht, Gleich- stellungsgegnerinnen und -gegnern die Stirn zu bieten – und zwar mit der Hilfe von starken, handlungsfähigen Frauenvertretungen. „Sie tragen in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes – ge- meinsammit dem dbb Bun- desvorstand, den dbb Landes- bünden und den dbb Mitglieds- gewerkschaften – entscheidend dazu bei, Männer und Frauen gleichzustellen und Beschäftig- ten ein diskriminierungsfreies Fortkommen zu sichern“, so die Vorsitzende der dbb bundes- frauenvertretung. Part-time Wage Gap Teilzeit nicht schlechter bezahlen als Vollzeit Für die grundsätzliche Aufwertung von Teilzeitar- beit hat sich die dbb bundesfrauenvertretung aus- gesprochen. Neben dem Abbau struktureller Be- nachteiligungen von Teilzeitbeschäftigten fordert sie zudem den Ausbau der Kinderbetreuung. „Die schlechte Infrastruktur bei der Ganztagsbetreuung in Kitas – und ganz besonders in Schulen – hindert noch immer viele Frauen daran, ihrem Wunsch nach längeren Wo- chenarbeitszeiten nachzuge- hen. Es ist ein Skandal, dass sie dafür zusätzlich mit niedrige- ren Entgelten bestraft wer- den“, machte Helen Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundes- frauenvertretung, am 14. No- vember 2019 deutlich. Auch im öffentlichen Dienst sei dieses Phänomen zu beob- achten. „Wer weniger Arbeits- stunden in der Dienststelle verbringt, erhält schlechtere Leistungsbeurteilungen. Da- mit sinkt die Chance, in eine gut dotierte Position beför- dert zu werden. Über 80 Pro- zent der Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst sind Frauen, viele von ihnen sind von dieser Problematik be­ troffen.“ Darüber hinaus wirbt Wildfeu- er für die Aufwertung der Teil- zeit. „Wir müssen uns von der Idee verabschieden, Frauen mit aller Macht ins männliche Ideal des Vollzeiterwerbstätigen drängen zu wollen. Wir müs- sen vielmehr in vollzeitnahen Arbeitszeitkontingenten den- ken, die für Männer gleicher- maßen attraktiv sind.“ << Hintergrund Das Deutsche Wirtschaftsins- titut (DIW) hat die Entwick- lung der Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland analysiert und stellt einen deutlichen Anstieg der Teil- zeitquote unter erwerbstäti- gen Frauen fest. Die Teilzeit- quote lag danach 2017 bei Frauen in den alten Ländern bei gut 38 Prozent, in den neu- en Ländern bei etwa 27 Pro- zent – jeweils über zehn Pro- zentpunkte mehr als Mitte der 1990er-Jahre. Gleichzeitig nahm der Part-time Wage Gap, die Einkommensdifferenz von Teil- zu Vollzeitarbeit, zu: Frauen mit Teilzeitjob erhalten durchschnittlich einen um rund 17 Prozent geringeren Stundenlohn als Frauen mit Vollzeitjob. Die Brückenteil- zeit wird als erster Schritt ge- nannt, der Teilzeitfalle zu be- gegnen. Darüber hinaus wird in der DIW-Studie der Ausbau der Ganztagsschulbetreuung und eine Reform des Ehegat- tensplittings empfohlen. © Colourbox.de © Colourbox.de/inxti 28 > dbb magazin | Dezember 2019

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