dbb magazin 1-2/2020

dbb jahrestagung 2020 Ängste müssten durch Transpa- renz, Fort- und Weiterbildung genommen werden sowie durch das Herausstellen der po- sitiven Digitalisierungseffekte. „Bessere Vereinbarkeit von Fa- milie und Beruf, flexiblere Ar- beitszeit- und Arbeitsortgestal- tung“, nannte Mihalic als Beispiele. Gleichzeitig dürfe sich Positives nicht ins Negative ver- ändern: „Mit Blick auf die Ge- fahren ständiger digitaler Er- reichbarkeit und Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatle- ben brauchen wir klare und verbindliche Regelungen, die gemeinsammit den Personal- vertretungen entwickelt wer- den müssen.“ Nicole Opiela vom Fraunhofer- Institut für Offene Kommuni­ kationssysteme (FOKUS), lie- ferte Fakten. „Nach dem DESI- Index für digitale Verwaltung sind wir in Sachen Digitalisie- rung der Verwaltung weiterhin Schlusslicht in Europa. Aber man muss differenzieren: Teil- weise sind die Kommunen schon sehr innovativ. In vielen gibt es schon eine Digitalisie- rungs-Strategie oder es wird daran gearbeitet.“ Opiela be- tonte: „Für Kommunen ist die Digitalisierung auch eine Chan- ce, als Standort attraktiver zu werden.“ Mehr Schub für die digitale Transformation erhofft sich die Expertin ebenso wie die Mitdiskutierenden von bes- serer Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten. „Experten- wissen wird vergänglicher. Es braucht die Bereitschaft, sich permanent neues Wissen an- zueignen“ – etwa auch dauer- haften informellen Austausch über moderne Arbeitsformen in den Verwaltungen.“ Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und in Europa und in Rheinland-Pfalz seit 2011 zu- ständig für Digitalisierung, stell- te heraus, wie wichtig es sei, die Personalvertretungen und die Mitarbeiterinnen und Mitar­ beiter von Beginn an mitzuneh- men. „Ziel muss es sein, Ängste abzubauen und das Bewusstsein zu vermitteln, dass diese neue Art des Arbeitens Freude macht und Arbeitserleichterungen schafft.“ Insbesondere müssten auch alle Führungskräfte eine Vorbildfunktion einnehmen und ausfüllen. „Führung muss sich total verändern. Das Thema Digitalisierung muss deshalb auch Bestandteil der Ausbildung in unseren Verwaltungshoch- schulen sein“, forderte Raab. Mit Blick auf die Gesamtpers- pektive unterstrich sie, dass Bund, Länder und Kommunen bei der Digitalisierung zwin- gend an einem Strang ziehen müssten. „Innerhalb unserer föderalistischen Struktur erfor- dert die Koordination einen langen Atem. Wir Länder sind dankbar, dass wir gemeinsam mit dem Bund das Konzept der Digitalen Musterkommune er- arbeiten konnten. Was bisher fehlt, ist die dort existierenden Strukturen als landesweites Rollout zu nutzen.“ Befürch- tungen von Bürgerinnen und Bürgern in Sachen Datenschutz im digitalen Staat entgegnete Raab, dass eben jene Men- schen amerikanischen Konzer- nen all ihre sensibelsten Daten anvertrauten, während sie der I-ID-Funktion ihres Personal- ausweises weitgehend ableh- nend gegenüberstünden. „Da fehlt es schlicht an Aufklä- rung“, kritisierte Raab. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Ge- meindebundes, Gerd Lands- berg, wies darauf hin, dass es noch lange Zeit einen großen Teil der Bevölkerung geben werde, der sich digitalen Lö- sungen in der Verwaltung ver- weigere, sei es aus Skepsis oder Gewohnheit. Aus seiner Sicht ist das bisherige Fehlen einer bundeseinheitlichen digita- len Identität eines der Haupt- probleme bei der technischen Digitalisierung von Verwal- tungsprozessen. „Selbst bei vermeintlich banalen Dingen, wie der Beantragung eines An- gelscheins, stehen wir vor riesi- gen Herausforderungen“, be- richtete Landsberg und regte eine Art „Fast-Lane“ für die Bürgerservices an, um den Bürgerinnen und Bürgern die digitale Verwaltung schmack- haft zu machen: „Wenn es auch in der öffentlichen Ver- waltung sichtbar schneller geht – so wie am Flughafen – sind alle zufrieden und wollen das auch.“ dbb Chef Ulrich Silberbach mahnte eine zentralere Feder- führung bei der Digitalisierung in Deutschland an. „Wir sind weiterhin Entwicklungsland in Sachen Digitalisierung, und das größte Hemmnis ist neben der föderalen Architektur der Mix an Zuständigkeiten auch auf Bundesebene – das ist fast nicht mehr zu überschauen“, kriti­ sierte Silberbach und begrüßte Absichten, ein Bundesdigital­ ministerium einzurichten. „Wir brauchen von der Bundesebene einen zentralen Impuls“, sagte Silberbach mit Nachdruck. „Ebenfalls dringend erforderlich ist auf Bundesebene eine Novel- lierung des Bundespersonalver- tretungsrechts, das noch immer auf dem Stand von 1974 und damit hoffnungslos aus der Zeit gefallen ist.“ Damit könne man den Menschen im öffentlichen Dienst auch einen großen Teil der Ängste nehmen, die sie in Anbetracht der digitalen Trans- formation hätten. „Wir brauchen eine Vertrauenskultur und eben- so eine neue Fehlerkultur“, for- derte Silberbach. „Wir können auch mal mit einer 60-prozenti- gen Lösung starten, es müssen nicht immer 100 Prozent sein – das ist eine typisch deutsche Krankheit, die wir heilen müs- sen“, erklärte er. Probleme könne man auch auf demWeg in die Zukunft lösen, so der dbb Chef. Der Zweite Vorsitzende des dbb und Fachvorstand Beam- tenpolitik, Friedhelm Schäfer, schloss die 61. Jahrestagung des dbb mit einem Dank an die Teilnehmer und Podiumsgäste und verknüpfte sein Schluss- wort mit der Aufforderung, sich intensiv am Dialogprozess zu beteiligen, „den wir gemein- sam in den beiden Tagen ange- stoßen haben“. Die dbb Jahrestagung 2021 fin- det am 10. und 11. Januar 2021 ebenfalls in Köln statt. < Nicole Opiela < Heike Raab < Ulrich Silberbach < Gerd Landsberg dbb > dbb magazin | Januar/Februar 2020 17

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