dbb magazin 1-2/2020
<< Auch die syrische Französischlehrerin Zahra Badouch möchte wieder in dem Beruf arbei- ten, für den sie ausgebildet wurde. << Will „Brücken“ für Kinder in ihre neue Heimat bauen und gleichzeitig die Ver bindung zu ihrer kul turellen Herkunft nicht abreißen lassen: Grundschullehrer Salman Al Hasan. reportage << „Absolutes Neuland betreten“: Dr. Anna Aleksandra Wojciecho wicz, die das Projekt an der Uni Potsdam leitet, und ihre Mitstreitenden wollen faire Chancen für Migrantinnen und Migranten im Arbeits system Schule schaffen. © Britta Ibald (5) den richtigen deutschen Worten und Formulierungen suchen „Aber ich bin sehr glücklich, dass es dieses Pro- gramm hier für uns gibt und ich daran teilnehmen darf, das gibt mir eine Perspektive. Es ist ein Schritt in die Zu- kunft“, erklärt er und nickt entschlossen. Kollegin Zahra Badouch ergänzt: „Sicher haben wir alle immer wieder mal einen Durchhänger. Ich bin oft sehr traurig über die Lebens- zeit, die uns dieser Krieg und die Flucht gekostet haben. Es gibt so vieles, bei dem wir wie- der bei Null anfangen. Aber so ist es jetzt, und wenn ich sehe, wie wohl sich unsere Kinder hier schon fühlen, gibt mir das die Motivation und Kraft durchzuhalten.“ << Fachkräfte für Branden- burger Schulen Die Mehrheit der Teilnehmen- den des Refugee Teachers Pro- gram stammt aus Syrien, an dere kommen aus Palästina und Libyen, Afghanistan, aus der Türkei und der Ukraine. „Die Teilnahme ist an den Geflüchteten-Status gebun- den“, sagt Dr. Anna Aleksandra Wojciechowicz, die das Projekt leitet. Geflüchtete, die schon im Herkunftsland als Lehrer gearbeitet hatten, werden in eineinhalb Jahren so geschult, dass sie an Brandenburger Schulen als pädagogische Fachkräfte einsetzbar sind. Zunächst sollen sie dort hospitieren, dann zu- nehmend selbst un- terrichten. Vier Jahr- gänge wurden bisher verabschiedet, mit insgesamt über 85 Absolventinnen und Absolventen. „Mit dem Programm haben wir absolutes Neuland betre- ten“, macht Projektleiterin Wojciechowicz deutlich. „Die Herausforderung liegt darin, auf Barrieren beim Zugang zum Lehrerberuf für die Lehr- kräfte, die ihre Qualifikationen im Ausland erworben haben, aufmerksam zu machen und sich auf den Weg zu machen, diese abzubauen. Das wurde so bislang noch nie in der hochschulischen Lehrerbil- dung bearbeitet. Ganz stark geht es uns darum, die gesell- schaftliche Teilhabe dieser Gruppe zu fördern. Das ist insbesondere dann möglich, wenn Migrantinnen und Mi granten eine faire Chance in unserem Bildungssystem als Lehrkräfte erhalten.“ << Fokus auf Sprache und Schulpraxis Mittlerweile haben die Potsda- mer, deren Projekt bundesweit als wegweisend gilt und auch in der wissenschaftlichen Leh- rerausbildung viel beachtet ist, ihr Programm weiter geschärft und an die Erfordernisse ange- passt. Die Qualifizierung er- folgt in Vollzeit. Die Teilneh- menden absolvieren zunächst einen Deutsch-Intensivkurs mit Aussprachetraining und Fokus auf berufs- und schul- spezifisches Vokabular, um an- schließend pädagogische und fachdidaktische Lehrveranstal- tungen besuchen zu können. Drei Semester lang studieren sie hier, zum Teil ge- meinsammit deut- schen Lehramtsstudie- renden. Ein Praktikum und Schulexkursionen an brandenburgischen Schulen sorgen dafür, dass die Geflüchteten auch ganz praktisch an das deutsche Schul- und Unterrichtssystem herange- führt werden. „Dadurch, dass die Lehrkräfte die Schule in Deutschland nicht durchlaufen haben, sind ihnen die Abläufe, Vorgänge und Strukturen in der Schule noch weitgehend unbekannt. Wir sehen aber auch, dass sich die Gruppe auf- grund ihres beruflichen Hinter- grunds als Lehrer schnell im Bildungssystem zurechtfin- det“, erklärt Wojciechowicz. Vertiefender Sprachunterricht, ein Computerkurs und eine Ringvorlesung zur Migration in Deutschland vervollständigen das Programm, das mit einem C1-Sprachzertifikat und einem pädagogischen Zertifikat abge- schlossen wird. Aus Sondermit- teln des Landes werden die Ab- solventen nach dem Abschluss zunächst als Assistenzlehrkräf- te zwei Jahre an Brandenbur- ger Schulen beschäftigt. Dort bringen sie dann nicht nur als Sprachmittler die Integra tion geflüchteter Kinder und Jugendlicher voran, sondern werden auch als Fachlehrkräfte eingesetzt, etwa als Vertretun- gen und im Förderunterricht und Ganztagsangebot. << Weiterhin Förderung für Potsdamer Pionierarbeit Nach den Landtagswahlen in Brandenburg hat auch die rot- schwarz-grüne Landesregie- rung, die unter erneuter Füh- rung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke im November 2019 die Amtgeschäfte übernommen hat, die Weiterführung des Refugee Teachers Program „als pädagogisches Qualifi zierungsprogramm in verän- derter Form“ im Koalitions vertrag festgeschrieben. „Mit dieser Benennung wird unverkennbar signalisiert, dass das Uni-Programm unter der neuen Landesregierung gewünscht ist und weiter ge- fördert wird. Derzeit arbeiten wir an einer Überarbeitung des Programms“, sagt Anna Aleksandra Wojciechowicz. Für die Universität bedeutet 31 dbb > dbb magazin | Januar/Februar 2020
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