dbb magazin 1-2/2020
interview Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Digitalisierungsinitiative D21 Digitalsierung braucht Überzeugung dbb magazin In welchen Teilbereichen wird denn heute schon mit Algorithmen in der Verwaltung gearbeitet? Gibt es Best-Practice- Beispiele? Lena-Sophie Müller Überall, wo es Computer gibt, wird mit Algorithmen gearbeitet. Ein Algorithmus ist zunächst eine Anweisung zur Verarbeitung bestimmter Arbeitsschritte. Auf diesen Prinzipien beruhen alle Soft- ware-Produkte. Da seit Lan- gem verschiedene Software in der Verwaltung eingesetzt wird, wird genau genommen auch schon lange mit Algo- rithmen gearbeitet. Es entstehen jedoch immer komplexere algorithmische Sys- teme, die auch als „Künstliche Intelligenz (KI)“ bezeichnet wer- den. So werden in einem Projekt mit Unterstützung des Deut- schen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) im Saarland Anträge zur Eingliede- rungshilfe vorsortiert. Dabei können auch handschriftliche Eintragungen automatisiert er- kannt werden. Die Stadt Kiel setzt einen Behörden-Chatbot ein, der die oft gestellten Fragen nach Öffnungszeiten oder be- nötigten Anträgen beantwor- tet. Eine erste vollautomatisier- te Lösung verwendet die Stadt Aachen bei der Beantragung von Bewohnerparkausweisen. Nach Prüfung der entsprechen- den Kriterien wird der Parkaus- weis direkt vom System gene- riert, ohne dass ein Mensch involviert ist. Ein selbstlernen- des System hat beispielsweise das BAMF im Einsatz: Dort ana- lysiert eine KI den Inhalt der ein- gehenden Dokumente und sor- tiert sie in die entsprechenden digitalen Akten. Macht das Sys- tem Fehler, wird das Dokument händisch in die richtige Akte verschoben. Daraus lernt das System. Im föderalen Deutschland ent- stehen gerade digitale Labs in fast jeder Stadt. Die Kommuni- kation zwischen den Bundes- ländern ist allerdings oft aus- baufähig. Wie sehen Sie diese Entwicklung: Betreibt die Repu- blik hier gerade digitale Flick- schusterei oder entsteht dabei ein intelligenter Schwarm? Es bedarf einer bundesweiten, interoperablen Basisinfrastruk- tur, wie dem Personalausweis oder grundsätzlich Dienste zur Identifikation bei der Nutzung digitaler Behördendienstleis- tungen, auf der weitere Diens- te aufbauen können. Denn in jedem Landkreis gibt es unter- schiedliche Voraussetzungen, Menschen und Bedarfe. Labs dienen als Ort, um regionale Erfahrungen zu sammeln, wei- terzugeben und auch mit der Bevölkerung und den Fach kräften vor Ort in den Aus- tausch zu kommen, denn das Rad muss nicht ständig neu erfunden werden. Erst dann kann vom intelligenten Schwarm geredet werden. Für das flächendeckende Ge lingen einer digitalen Verwal- tung ist es also essenziell, digitale Kompetenzen in den Verwaltungen aufzubauen, um lokal bestehende Fach kompetenzen einbringen und interdisziplinär an den Frage- stellungen arbeiten zu können. In Ihrem Denkimpuls gehen Sie von vier Personengruppen aus, die für die Konzeption und An- wendung von Algorithmen zu- ständig sind: Entscheidende, gestaltende, nutzende und prü- fende Personen. Ist diese strikte Unterscheidung trotz Personal- mangels im öffentlichen Dienst in der Realität umsetzbar? Zunächst müssen wir uns klar- machen, die Digitalisierung ver- ändert bestehende Strukturen, auch in der Verwaltung. Zum einen werden hier neue techni- sche Möglichkeiten zunehmend implementiert, weil sie Abläufe einfacher, effizienter und nach- haltiger gestalten können. Zum anderen fordern Bürgerinnen und Bürger einen modernen << Lena-Sophie Müller © Torben Köster 4 dbb > dbb magazin | Januar/Februar 2020
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