dbb magazin 1-2/2020

online zentraler Treiber für den Erfolg des Unternehmens auch in der Zukunft bleibt“, erklärt Meyer den Kunden den Trend weg von der aus betriebswirtschaftli- cher und ökologischer Sicht un- günstigen Haustürzustellung. Denn wenn Zusteller zu oft an verschlossenen Türen klingeln müssen, weil die Adressaten nicht zu Hause sind, kostet das Zeit und Ressourcen. DHL-Kon- kurrenten wie DPD und Hermes haben das ebenfalls erkannt. Sie setzen allerdings weniger auf Paketstationen, sondern auf ein dichtes Netz von Paketshops. << Zusteller am Limit Bereits imMärz 2019 hatte der Logistik-Konzern umfangreiche Investitionen in die Qualität angekündigt, darunter die Ein- richtung von 500 neuen Filia- len und DHL Paketshops sowie 1 000 neuen DHL Packstatio- nen. Das Ziel der Bemühungen ist Kundenzufriedenheit, denn DHL ist nicht der einzige Logis- tikunternehmer, bei dem die Kolleginnen und Kollegen am Ende der Lieferkette unter massivem Druck stehen: die Zustellerinnen und Zusteller. Wozu es führen kann, wenn derzeit rund 112 000 Zusteller pro Tag 57 Millionen Briefsen- dungen und fünf Millionen Pa- kete bearbeiten müssen, zeigt ein kurioser Fall aus Bayern. Nach einem Bericht der „Welt“ soll dort ein Paketzusteller Ende 2019 von einemWutan- fall übermannt worden sein und eine Tür beschädigt ha- ben. Der Grund war ein defek- ter Paketscanner. Er soll den Scanner auf den Boden gewor- fen und mehrfach gegen die Haustür des Mehrfamilienhau- ses sowie gegen das Paket ge- treten haben. DHL habe sich für den Vorfall entschuldigt und den Schaden ersetzt. Der Einzelfall wirft allerdings ein Schlaglicht auf die Belastun- gen, unter denen die Kollegin- nen und Kollegen arbeiten – be­ sonders am Jahresende, wenn Weihnachten die Zustellraten explodieren lässt. Der Bundes- verband Paket und Expresslo­ gistik (BieK) prognostizierte im November 2019, dass private Endkunden imWeihnachtsge- schäft rund 355 Millionen Pake- te zugestellt bekommen. Um diese Paketmengen meistern zu können, müssten die Unter- nehmen rund 25 000 zusätzliche Zusteller einsetzen. Allein DHL rechnete mit einem Anstieg um rund acht Prozent imWeih- nachtsgeschäft, „sodass wir di- rekt vor Heiligabend mit neuen Rekordmengen von über elf Mil- lionen Paketsendungen täglich rechnen“, sagte DHL-Sprecherin Tina Birke der „Berliner Zeitung“ im Dezember 2019. Birke ver- sprach aber auch, dass die ge- setzlich vorgeschriebene Ar- beitszeit von zehn Stunden pro Tag nicht überschritten werde. Unter anderem greife DHL hier- für auch auf Aushilfen zurück. Das ändert allerdings nichts am insgesamt hohen Krankenstand in der Zustellbranche. Mehr als 34,6 Tage pro Kopf waren Paketboten und Briefträger nach Angaben der Barmer Kran- kenkasse im Jahr 2018 in Nord- rhein-Westfalen krankgeschrie- ben. Die hohen Fehlzeiten der Zusteller schlagen sich auch beim Krankenstand nieder. Die- ser ist mit 9,5 Prozent deutlich höher als bei anderen Erwerbs- tätigen. Von 1 000 Paketzustel- lern und Postboten fehlten im Jahr 2018 täglich 95 krankheits- bedingt im Job. „Die Arbeitsbedingungen sind gerade in der Vorweihnachts- zeit sehr stressig. Bei mitunter deutlich mehr als 200 Paketen pro Tag und Höchstgewichten von bis zu 31,5 Kilogramm pro Paket kann sich jeder leicht vorstellen, wie hoch die kör- perliche, aber auch psychische Belastung ist“, erklärt Christina Dahlhaus, Vorsitzende der Fachgewerkschaft DPVKOM, in der viele Zustellerinnen und Zusteller organisiert sind. << Lohndumping beenden, Bedingungen verbessern Der Wettbewerb, insbesondere in der boomenden Paketbran- che, findet in erster Linie über den niedrigsten Preis und damit auch über die Löhne der Be- schäftigten statt. Im Bereich der Paketzustellung sind bei- spielsweise die Einkommen der Zusteller im Zeitraum 2007 bis 2017 um etwa 13 Prozent gesun- ken. Nach Angaben der Bundes- regierung bekommen Zusteller in der Paketbranche ein mittle- res Bruttomonatsentgelt von 2 478 Euro. Vor gut zehn Jahren waren es noch 2 859 Euro. Für die DPVKOM ist das eine nach- weisliche Entwertung der Arbeit in einer boomenden Branche. Damit die Dumping-Spirale in der Branche nicht weitergeht, hat die Bundesregierung das Gesetz zur Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Pa­ ketbranche zum Schutz der Beschäftigten oder kurz „Paket- boten-Schutz-Gesetz“ beschlos- sen und im November 2019 verabschiedet. „Das Paketbo- ten-Schutz-Gesetz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Damit wird einer wesentlichen Forderung unserer Gewerk- schaft, nämlich das Lohn- und Sozialdumping in der Branche wirksam zu bekämpfen, Rech- nung getragen“, erklärt Dahl- haus. Auftraggeber würden nun genauer darauf schauen, an wen sie Aufträge vergeben, da sie im Notfall dafür haften, dass Sozialversicherungsbeiträ- ge korrekt abgeführt werden. „Diesem ersten Schritt müssen jedoch noch weitere folgen. So muss beispielsweise durch flä- chendeckende, regelmäßige und umfassende Kontrollen si- chergestellt werden, dass der gesetzliche Mindestlohn einge- halten und beispielsweise nicht durch unbezahlte Überstunden unterlaufen wird.“ Die Verantwortlichen in den Unternehmen, auch und gerade beimMarktführer Deutsche Post DHL, müssten darüber hin- aus endlich begreifen, dass sie nur dann neues Personal ge- winnen werden, wenn sie ver- nünftige Arbeits- und Entgelt- bedingungen sowie berufliche Perspektiven bieten, kritisiert die Gewerkschafterin. „Dazu zählt auch eine schnellere Ent- fristung von Arbeitsverhältnis- sen. Zudemmuss das Personal gut aus- und weitergebildet werden.“ Außerdemmüsse die Arbeit von Paketzustellern ge- nerell besser entlohnt werden. „Wir fordern einen branchen- spezifischen Mindestlohn, der deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn von 9,35 Euro liegt. Außerdemmuss die Deutsche Post mehrere Tau- send Zusteller dauerhaft ein- stellen, um den Personalman- gel zu beseitigen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Ar- beitsmittel in ausreichender Anzahl vorhanden sind und zuverlässig funktionieren.“ br © Unsplash.com/Kolar.io 41 dbb > dbb magazin | Januar/Februar 2020

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