dbb magazin 1-2/2020

interview und unkomplizierten Zugang zu Informationen und Diensten. Hier liegt neben aller Anstren- gung auch eine große Chance, aktuellen Schwierigkeiten wie dem Personalmangel mit neu- en, technischen Mitteln zu be- gegnen und als Arbeitgeber at- traktiver zu werden. Abläufe und Prozesse, aber auch Ar- beitsfelder und Rollen müssen, konstruktiv betrachtet, neu be- wertet und verbessert werden. Die Unterscheidungen in den Denkimpulsen beziehen sich auf Rollen und vorhandene Ak- teursgruppen, die bei der Ge- staltung algorithmischer Syste- me zusammenarbeiten sollen. Auf die Verwaltung übertragen bedeutet dies, entscheidende Personen sind für die Vergabe von Aufträgen für IT-Dienstleis- tungen zuständig. Für eine gute Entscheidung benötigen sie ei- nen engen Austausch mit Fach- und IT-Abteilungen, also den gestaltenden Personen, und einen Blick für die Nutzenden. Nutzende Personen können so- wohl Mitarbeitende der Ver- waltung sein, die beispielswei- se ein bestimmtes Programm zur Datenerfassung verwenden, oder auch Bürger(innen), die Verwaltungsdienstleistungen in Anspruch nehmen. Prüfende Personen können zum Beispiel in der IT arbeiten oder Gleich- stellungsbeauftragte sein, die im Planungsprozess Kriterien wie Barrierefreiheit oder Daten- schutz einbringen. Es geht um Verständnis für diese unter- schiedlichen Rollen und darum, eine abteilungsübergreifende Arbeit zu ermöglichen. Welche Voraussetzungen kön- nen Behördenmitarbeiter und Führungskräfte schaffen, um die Implementierung von Algo- rithmen zu ermöglichen oder zu erleichtern? Die Verwaltung arbeitet meist seit vielen Jahrzehnten mit ähnlichen Abläufen und auch ähnlichen Mitteln. Damit wirkt sie mitunter aus der Zeit gefal- len und der Druck zur umfas- senden Modernisierung nimmt zu. Scheinbar ist das Problem nicht, dass dafür zu wenig Geld zur Verfügung steht. Aber zu wenig Personal, hoher Aufga- bendruck und auch mangelnde Digitalkompetenzen sind im- mer wieder genannte Hürden. Wir stellen fest, dass es für eine gelungene Digitalisierung auch Überzeugung braucht. Große Veränderungen können verun- sichern und viele Menschen se- hen zunächst schlicht keinen Nutzen in neuen technischen Möglichkeiten. Die Aufgabe von Führungskräften ist, das Potenzial des Einsatzes digita- ler Technologien für den eige- nen Bereich zu identifizieren, zu verstehen und in ihr Haus zu tragen. Wer wäre gegen Unter- stützung durch eine nachvoll- ziehbare KI, wenn sie Anträge blitzschnell auswerten und An- tragsstellende automatisiert darüber informieren würde, dass noch Angaben oder Infor- mationen fehlen, Mitarbeiten- de somit von Routinearbeit entlastet werden würden? Ne- ben Infrastruktur und Schulun- gen braucht es also auch eine neue Kultur, in der Veränderun- gen positiv aufgefasst und ver- mittelt, positive Effekte deut- lich gemacht werden. Algorithmen müssen immer wieder auf ihre Wirksamkeit, Zielgenauigkeit hin überprüft werden. Gleichzeitig darf durch diese Systeme niemand diskrimi- niert werden. Welche Rolle neh- men Beschäftigte bei der Über- prüfung dieser Kriterien ein? Beschäftigte können gemäß der vorgestellten Akteursgrup- pen unterschiedliche Rollen ein- nehmen. In der Führungsebene entscheiden sie über die Zielvor- gaben bei Neuentwicklungen, den Kontext des Einsatzortes sowie die Einbettung inWeiter- bildungsmaßnahmen. IT-Fach- kräfte können zum Beispiel für die technische Prüfung von Funktionstüchtigkeit, Nutzungs- freundlichkeit und Sicherheit zuständig sein oder auch die Auswahl eines repräsentativen Datensets. Als Nutzende sollten Beschäftigte ihre Wünsche und Bedenken rückmelden können. Alle Rollen müssen entspre- chend klar zugeteilt und die Ver- antwortlichen für die Aufgaben geschult und eingewiesen sein. Neben der klaren Rollenvertei- lung ist auch der stete Dialog, also die abteilungsübergreifen- de Zusammenarbeit wichtig. Ohne ein enormes Maß an Fort- und Weiterbildungsmaß- nahmen werden gerade ältere Beschäftigte kein Verständnis für die Funktionsweise von Al- gorithmen entwickeln können. Wie kann es gelingen, sich die dafür nötigen Freiräume zu schaffen? Ein erster Hebel zu mehr Digi- talkompetenzen sind die Aus- bildungswege. Diese müssen konsequent auf die Kompe- tenzprofile hin ausgerichtet werden, die in den nächsten Jahren gebraucht werden. So wird sichergestellt, dass neue und modern ausgebildete Fach- kräfte in die Behörden gelan- gen. Über Tandem-Verfahren und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit kann spezifi- sches Wissen weitergegeben werden. Ein zweiter Hebel sind die von Ihnen angesprochenen Fort- und Weiterbildungen. Ohne sie geht es heute nicht mehr. Da sich heute vieles im steten Wandel befindet, müs- sen wir uns immer wieder wei- ter- und fortbilden, ein ganzes Leben lang. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sieht die Möglichkeit zu lebenslan- gem Lernen übrigens eher als Privileg denn als Belastung. Wir empfehlen Arbeitge- ber(innen), die strategische Weiterbildung und Motivation zum lebenslangen Lernen zum definierten Ziel einer Strategie „Digitaler Unternehmensver- antwortung“ zu machen. Das gilt auch für Behördenleitende. Sie können so die Herausforde- rungen einer zunehmend digi- talisierten Arbeitswelt gemein- sammit ihren Mitarbeitenden meistern. Dazu braucht es sys- tematische und individualisier- te Maßnahmen, um insbeson- dere die weniger digitalaffinen Mitarbeitenden zu erreichen. Sie werben für eine offene Feh- lerkultur etwa innerhalb einer Behörde. Wie geht das einher mit dem Anspruch der Bevölke- rung an den Staat, fehlerfreie Daseinsvorsorge zu betreiben? Muss in einigen Bereichen, wie etwa der inneren Sicherheit oder im Rechtswesen, eine ge- naue Prüfung vor der Imple- mentierung potenziell fehler- hafter Produkte stattfinden? In unseren Denkimpulsen be- schreiben wir, dass fehlerfrei nicht möglich ist. Fehler passie- ren überall. Je früher sie jedoch im Verfahren entdeckt werden, umso geringer ist die Wahr- scheinlichkeit, dass sie zu ei- nem falschen Ergebnis beim Abschluss eines Verfahrens führen. Aber genauso wichtig ist die regelmäßige Überprü- fung nach Implementierung durch verschiedene Akteure und der Wille zur nachträgli- chen Verbesserung. Eine offene Fehlerkultur bedeutet ja, dass offen, transparent und kons­ truktiv mit Fehlern, Fehlerrisi- ken und Fehlerfolgen umge- gangen wird. Wichtig ist, dass sie erkannt und bei Schwierig- keiten oder Fehlern zügig und sinnvoll gehandelt wird. << Initiative D21 D21 ist das größte gemein- nützige Netzwerk für die Digitale Gesellschaft in Deutschland. Es wurde 1999 mit dem Ziel gegründet, die digitale Spaltung der Gesell- schaft zu verhindern. Fach- leute aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilge- sellschaft beschäftigen sich im Auftrag von Wirtschaft und öffentlicher Hand mit den gesellschaftlichen Her- ausforderungen im digitalen Wandel. Mit jährlich publi- zierten Lagebildern soll der Diskurs in Gang gehalten werden, wie die Zukunft der Digitalen Gesellschaft sinn- voll gestaltet werden kann. 5 dbb > dbb magazin | Januar/Februar 2020

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