dbb magazin 3/2020

nachgefragt Langweilige Arbeitsplätze sind nicht mehr konkurrenzfähig“ Herr Vogel, als „kleine, aber spannende und vor allem eige- ne Kreation“ haben Sie das In- novationslabor im Mai 2018 eröffnet. Seitdem wirbelt das GovLab-Team Ihre Bezirksver- waltung ordentlich herum. Wie würden Sie eine kurze Zwischenbilanz formulieren? Hans-Josef Vogel Die Idee hinter dem GovLab ist aufgegangen: „Einfach anfan- gen.“ Einfach im dreifachen Sinne: mit (1.) kleinen „einfa- chen Projekten“, die sofort das Verwaltungsleben unserer Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter (2.) einfacher machen und (3.) ohne Rücksicht auf die beste- henden und die Digitalität der Verwaltung einschränkenden oder verhindernden Regelwer- ke der analogen Vergangen- heit. Darüber hinaus haben wir mit anderen Behörden und Unternehmen ein Netzwerk geschaffen, das immer wieder bei Fragen und Problemen hilft, indem es verschiedene Expertisen zusammenführt. Also empfehlen Sie das Modell „Innovation aus eigener Kraft“ auch anderen Verwaltungsein- heiten weiter? Welche Vorteile bietet das – man könnte ja ein externes Beratungsunterneh- men anheuern … Ja. Ob das nun ein Labor ist oder nicht. Es geht zuallererst darum, Freiräume in der Ver- waltung zu schaffen, um selbst etwas auszuprobieren jenseits der Regeln aus einer überhol- ten Vergangenheit, die Kreati- vität und Engagement der Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter bremsen und verhindern – mit der Folge meist langweiliger Arbeitsplätze, die nicht mehr konkurrenzfähig sind. Es geht quasi beim „Eigenlabor“ um eine institutionelle Experimen- tierklausel. Wobei wir ja schon vorher wissen, dass die „Ex­ perimente“ erfolgreich sind. Aber so überzeugen wir die, die Antworten zugeneigt sind, die schon in der Vergan- genheit gescheitert sind – Datenschutzbeauftragte oder Beschaffungsabteilungen der alten Zeit. Ließe sich das GovLab Ihrer Meinung und Erfahrung nach auf alle Organisationsgrößen im öffentlichen Dienst übertra- gen? Auf Bundesebene herrscht ja derzeit das reinste Kunter- bunt in Sachen Digitalisierung – braucht es da nicht eine zen­ trale Einheit aus den eigenen Reihen, die die Verhältnisse kennt und weiß, wo anzuset- zen ist? Ja. Organisationsgrößen sind hier nicht entscheidend. Zur Bundesebene: Führung, Orga- nisation und Ressourcen sind hier die Kernpunkte. Ob das dann alles in einem Digital­ ministerium organisiert wer- den muss, ist eher neben­ sächlich, denn auch das wird – ohne richtige Führung, Organi- sation und Ressourcen – nicht erfolgreich arbeiten können. Die Esten haben diese drei Prinzipien in ihrem Land und entsprechend ihrem politi- schen System umgesetzt. In Deutschland kann eine solche Organisation nicht einfach ko- piert werden – sie sollte aber alle drei Prinzipien abdecken. Im Übrigen: Wir fokussieren uns zurzeit viel zu stark auf den Bund. Viele der neuen Di- gital- und Technologiethemen sind auf Landes- und Kommu- nalebene angesiedelt – Ener- gie, Mobilität, Sicherheit, Bür- gerdienste. Die Länder sollten sich idealerweise so digital transformieren, dass auch die Interoperabilität von neuen Prozessen zwischen den Län- dern und dem Bund gegeben ist. Der Föderalismus stellt uns hier vor eine zusätzliche Her- ausforderung, kann dies aber bei entsprechender Reform problemlos ändern. Digitalisierung und agile Ar- beitsmethoden sollen die Ver- waltung einfacher, schneller, besser machen – und anschlie- ßend sparen Sie die Hälfte Ihres Personals ein? Ganz ehrlich: Spielt diese Zielsetzung auch eine Rolle in Ihren Überlegun- gen, wie es böse Zungen ja im- mer mal wieder unterstellen? Zur Digitalisierung gehört auch die Automatisierung. Damit könnten zumindest potenziell auch Arbeitsplätze in der öf- fentlichen Verwaltung bedroht sein. Ich halte diese Angst für unbegründet. Eine einfache Antwort wäre, auf den extrem hohen arbeitsrechtlichen Schutz zu verweisen, den wir als Angestellte und Beamte/ Beamtinnen im öffentlichen Dienst genießen. Dieser Schutz ist Teil unserer Staatstradition. Aber das ist nicht der eigentli- che Punkt. Automatisierung wird uns ermöglichen, endlich das zu tun, was Maschinen mit ihren programmierten Routi- nen nicht können. Wir Men- schen verstehen, was Men- schen wollen und brauchen, und wir können uns als soziale Wesen in unserer Rolle endlich um die wirklich wichtigen Be- lange von Bürgerinnen und Bürgern, von Betrieben und Unternehmen und auch unse- rer eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern, die uns kein Computer abnehmen kann. Keine Sorge: Uns geht die sinnvolle Arbeit nicht aus. Digitalisierung eröffnet uns die Chance, sie endlich menschlich und effektiv anzupacken. Und noch ein Gedanke: Wenn wir unsere Verwaltung nicht end- lich auf den Stand der Technik bringen, wenn wir die berech- tigten Erwartungen der Bürge- rinnen und Bürger an Verwal- tung in einemmodernen Staat nicht erfüllen, schaden wir der Demokratie. Umgekehrt gilt: Je besser Verwaltung wird, desto mehr Vertrauen haben Bürge- rinnen und Bürger in unseren Staat und in unsere Demokra- tie. Diesem Anspruch müssen wir uns stellen. Deshalb haben wir uns irgendwann entschie- den, einen Beruf im öffentli- chen Dienst zu ergreifen. Des- halb dienen wir dem Staat, dem demokratischen freiheit­ lichen Rechtsstaat und seinen Bürgerinnen und Bürgern. ? nachgefragt bei ... ... Hans-Josef Vogel, Regierungspräsident von Arnsberg << Der Arnsberger Regierungsprä­ sident Hans-Josef Vogel ist der Gründer des Innovationslabors „GovLab“. Er warnt: „Wenn wir unsere Verwaltung nicht endlich auf den Stand der Technik bringen, wenn wir die berechtigten Erwar- tungen der Bürgerinnen und Bürger an Verwaltung in einem modernen Staat nicht erfüllen, schaden wir der Demokratie.“ © Thomas Gasparini 16 dbb > dbb magazin | März 2020

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