dbb magazin 5/2020

corona-protokolle A bsoluter Ausnahmezustand.“ Michael Auriga, Justizwacht- meister am Amtsgericht Gießen, ist seit 27 Jahren im Dienst und hat so etwas wie die Coronavirus-Krise auch noch nie erlebt – wie auch! Die Pandemie stellt auch die Justiz vor eine große Herausforderung: Trotz aller Einschränkungen, die die weitere Ausbreitung des Virus verringern sollen, „muss der Rechtsstaat weiter funktionieren. Also auch die Gerichtsbarkeit“, sagt Auriga. So ist der Publikumsverkehr am Amtsgericht in Gießen seit Mitte März zwar massiv eingeschränkt, der Zugang zum Gebäude auf ein absolut notwendiges Minimum reduziert. Sofern jedoch Ge- richtsverhandlungen stattfinden, bleibt die Wahrung der Öffent- lichkeit weiterhin garantiert. Und deswegen gilt für Michael Auriga und seine Kollegen im Justizwachtdienst des Amtsge- richts auch weiterhin volle Dienstpflicht vor Ort. Grundsätzliches Betretungsverbot haben Personen, die sich in Risikogebieten aufgehalten haben oder Kontakt zu Infizierten/B eim NDR in Hamburg fahren die Drehcrews jetzt häufig nur noch als „Einer-Teams“ raus, den Ton muss der Kameramann oder die Kamerafrau dann mitmachen. „Eigentlich sollte man das lieber ‚halbe Teams‘ nennen als ‚Einer-Teams‘. Einer alleine ist schließlich kein Team“, kommentiert Björn von Mateffy seine aktuelle Arbeitssituation. Michael Auriga (48), Justizwachtmeister Amtsgericht Gießen: „Diese sichtbare Ungewissheit kann einen schon belasten.“ NDR-Kameramann Björn von Mateffy (46): „Mit Mundschutz beschlägt halt das Okular dauernd.“ Isolierten hatten und/oder unspezifische Allgemeinsymptome oder Atemwegsprobleme aufweisen, die auf eine Infektion mit dem Coronavirus hindeuten könnten. „Persönliche Vorsprache und Antragstellung im Gericht sind derzeit nicht erlaubt“, erläu- tert Auriga, alles ist telefonisch oder schriftlich zu erledigen. Auch die Anwaltskanzleien haben deutlich reduzierte Zutrittsrechte. All das sorgt natürlich für Konfliktpotenzial, denn entgegen der land- läufigen Meinung, an Gerichten fänden nur Prozesse statt, ist die Gerichtsverwaltung für vielfältigste Angelegenheiten zuständig: Vormundschafts-, Sorgerechts- und Erbschaftsfälle, Beratungshil- fen, Grundbuchauszüge, Zeugen- und Sachverständigenentschä- digungen und vieles mehr. „Die meisten, die wir bei der Einlass- kontrolle abweisen müssen, reagieren mit Verständnis. Aber es gibt natürlich auch Menschen, die aufgrund der allgemeinen Lage oder ihrer persönlichen rechtlichen Situation eine etwas kürzere Zündschnur haben. Da ist dann Fingerspitzengefühl und Überzeu- gungskraft gefragt“, berichtet der Justizwachtmeister und versi- chert augenzwinkernd: „Das können wir ja.“ Nur noch punktuell haben er und seine Kollegen mit Gefangenen zu tun, die sie sonst mehrmals täglich vor- und abführen, „momentan sind das vor allem Haftrichtertermine“. Auch sonst sei es still geworden im Amtsgericht: „Viele Richterinnen und Richter, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger und Verwaltungskräfte arbeiten aus dem Homeoffice – wenn wir die Post und Akten verteilen, ist das stre- ckenweise schon recht einsam“, sagt Auriga, „diese sichtbare Un- gewissheit kann einen schon belasten.“ Doch gemeinsamwerde auch das Team Justiz die Situation mit Zusammenhalt und Humor meistern, ist der 48-Jährige überzeugt. Für den Herbst rechnet er allerdings mit einem enormen „Schub“ an Arbeit: „Alles, was jetzt liegen bleibt, muss dann natürlich so schnell wie möglich auf­ geholt werden. Da wird einiges auf uns zukommen.“ iba Der Übergang zu „halben Teams“ läuft beim NDR schon seit eini- ger Zeit, wird aber durch die Corona-Krise beschleunigt. „Wir als Gewerkschafter sind von dieser Tendenz natürlich nicht begeis- tert, konnten aber Freiwilligkeit und eine gute Zulagenregelung für die betroffenen Kameraleute aushandeln.“ Seit 26 Jahren im Job, ist der erfahrene Kameramann durch die Corona-Krise nicht zu erschüttern. Am Telefon erzählt er aber von der besonderen Herausforderung, Nähe in kleinen Außenteams zu vermeiden. Der Autor oder Redakteur eines Beitrags ist ja meist auch noch dabei: „Der oder die sitzt dann schräg hinten im VW Bus, damit wir auch während der Fahrt möglichst großen Abstand halten können.“ Beim eigentlichen Dreh sei dann in der Regel genug Platz, Veranstaltungen mit großem Gedränge gebe es imMoment eh nicht und in der einfachen Interviewsituation könne man schon Distanz halten. Björn von Mateffy selbst trägt – wann immer möglich – die vom Arbeitgeber zur Verfügung ge- stellte Behelfs-Atemschutzmaske, ist sich aber nicht sicher, ob das die Mehrzahl seiner circa 70 Kolleginnen und Kollegen auch so hält. „Ich kann das allen nur dringend empfehlen“, betont der Per- sonalrat. „Klar, für Kameraleute ist ein Mundschutz hinderlich, weil dann das Okular dauernd beschlägt. Man sollte ihn aber trotzdem konsequent tragen.“ Bisher gab es in von Mateffys direktem Arbeitsumfeld zum Glück nur zwei Corona-Verdachts- fälle, die sich als unbegründet herausgestellt haben. „Seit Beginn der Krise sollen wir die Namen aller Kontaktpersonen aufschrei- © privat © privat 12 > dbb magazin | Mai 2020

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==