dbb magazin 5/2020

corona-protokolle ben, um im Falle einer Infektion Risikopersonen schnell identifi- zieren und überprüfen zu können.“ Für Björn von Mateffy steht die große Bewährungsprobe wäh- rend der Corona-Krise aber in den nächsten Tagen und Wochen noch bevor: „Morgen kommt meine 78-jährige Mutter nach sechs Wochen Krankenhaus nach Hause. Sie konnte in der Zeit keine Nachrichten sehen oder hören, weiß also von den Corona-Maß- nahmen noch gar nichts, das wird nicht einfach. Einerseits muss und möchte ich mich um sie kümmern, andererseits muss ich na- türlich noch viel vorsichtiger sein, was meine Hygiene sowohl auf der Arbeit als auch zu Hause angeht.“ zit I n meiner Zustellbasis Reinickendorf im Norden von Berlin arbei- ten 115 Beschäftigte, zehn im Innendienst, der Rest sind Zustel- ler, die sechs Tage die Woche in zwei Wellen ihre Fahrzeuge bela- den. Wenn die erste Welle frühmorgens anfängt, wuseln in der Halle und auf dem Hof rund 50 Leute herum. Wir passen natür- lich auf, dass wir die vorgeschriebenen 1,5 Meter Abstand vonein- ander halten, und das klappt inzwischen ziemlich gut. Beim Kon- takt zu den Kunden ist es etwas schwieriger. Im Berliner Norden haben wir den Vorteil, dass es dort am Stadtrand verhältnismäßig viele Einfamilienhäuser gibt. Da ist es einfacher, Distanz zu halten als in den großen Mietshäusern der Innenstadt. Zum Infektionsschutz hatte die Deutsche Post zudem gleich zu Beginn der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen verfügt, dass die Unterschriftspflicht der Kunden bis auf Weiteres ent­ fallen kann, wenn der Zusteller für sie unterschreibt. Man sollte aber wissen, dass die Post es uns überlässt, wie wir das handha- ben. Ich habe mir deshalb meine eigenen Gedanken gemacht, wie es im Zusteller-Handbuch steht. Meiner Auffassung nach schließt erst die Unterschrift des Kunden den Kaufvertrag für die Ware ab. Nach Möglichkeit lasse ich alle unterschreiben, weil ich damit vermeide, wegen vermeintlich nicht zugestellter Sendungen re- gresspflichtig gemacht zu werden. Ich bin ganz allgemein besorgt, dass eine Welle von Regressforderungen auf die Zusteller zurollen könnte, sobald die Maßnahmen gelockert werden und wieder nor- malere Verhältnisse herrschen. Viele fahren wie ich jeden Tag eine andere Tour. Das heißt, wir kennen die Kunden nicht und sind so- mit auch dem bandenmäßig organisierten Paketbetrug, der auch in Berlin fleißig praktiziert wird, schutzlos ausgeliefert. Denn wenn ein Kunde behauptet, dass er ein Paket nicht erhalten hat, steht Wort gegen Wort. Häufen sich solche Vorfälle, wird erst nachgefragt und dann im schlimmsten Fall die Regresssumme direkt vom Lohn abgezogen. Natürlich begleitet mich auf meinen Touren die Ansteckungsge- fahr. Ich bin Vater eines fünfjährigen Sohnes, den ich mit meiner getrennt lebenden ehemaligen Partnerin aufziehe. Ich möchte weder mein Kind noch seine Mutter infizieren. Deshalb versuche ich mir die Hände zu waschen, so oft es geht. Viele Möglichkeiten dafür gibt es jetzt, wo alle Gaststätten geschlossen sind, aller- dings nicht. Ab kommender Woche sollen wir Wasser und Seife auf die Wagen bekommen. Das wäre eine Erleichterung. Es gibt noch ein weiteres Problem, das mir in Kopfzerbrechen bereitet: Um als alleinerziehender Vater meinen Sohn zu betreuen, dessen Kita seit Wochen geschlossen ist, musste ich Urlaub nehmen. Ich brauche aber auch freie Tage für die Kita-Schließzeiten im Som- mer, Herbst und über Weihnachten. Ich habe bei meinem Arbeit- geber nachgefragt, was passiert, wenn mein Urlaub aufge- braucht ist. Bisher kam keine Antwort. cri Thomas Bischoff (50) Paketzusteller bei der Deutschen Post AG Berlin: „Ich lasse alle unterschreiben.“ B ei der Autobahnmeisterei gilt, bedingt durch das Coronavirus, bis auf Weiteres immer noch der Winterdienst-Schichtplan – mit speziellen Vorkehrungen, um eine mögliche Ausbreitung des Krankheitserregers auf die Belegschaft möglichst gut einzudäm- men. „Wir halten derzeit einen Drei-Schicht-Betrieb aufrecht, den wir in der Spät- und Nachtschicht aus dem Bereitschaftsdienst heraus betreiben“, erklärt Sebastian Lober. „So haben wir nur noch acht statt der üblichen 30 Beschäftigten auf der Dienst­ stelle.“ Die Leistungsfähigkeit der Dienststelle sei aber dadurch nicht betroffen, wie der 37-jährige Dresdner betont. Weil seine Meisterei direkt an der Grenze zu Tschechien liegt, bekam Lober nach den Grenzschließungen in den vergangenen Wochen auch die ein oder andere kuriose Szene mit. „Für uns ist Sebastian Lober (37), Straßenwärter bei der Autobahnmeisterei Dresden-Nickern: „Wir können hier viel Arbeit nur im Team erledigen.“ © privat © privat 13 dbb > dbb magazin | Mai 2020

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