dbb magazin 5/2020

hintergrund Abbildung 2: Lohnniveau in systemrelevanten Berufen (Bruttostundenlohn in Euro) << Info Die Publikation „Systemre- levant und dennoch kaum anerkannt: Das Lohn- und Prestigeniveau unverzicht- barer Berufe in Zeiten von Corona“ ist in DIW aktuell 28/2020 erschienen und kann im Internet kostenlos als PDF heruntergeladen werden: www.diw.de . 90 Prozent der Beschäftigten in Berufen, die aktuell der kriti- schen Infrastruktur zugeordnet werden, nur einen unterdurch­ schnittlichen Lohn bekommen. << Geringes Ansehen, niedrige Löhne Ein weiteres Ergebnis der Erhebung ist, dass die geringe Wertschätzung systemrele­ vanter Berufe oft mit geringer Entlohnung einhergeht. Während hoch angesehene Berufe wie Human- oder Zahn- medizin hoch bezahlt werden, erhalten zum Beispiel Alten­ pfleger(innen) ein deutlich un- terdurchschnittliches Erwerbs- einkommen, jedoch eine zumindest durchschnittliche Anerkennung. „Der Bereich der Steuerung und Überwachung des Verkehrsbetriebs ist ein Beispiel für eine Berufsgruppe, bei der es umgekehrt ist: über- durchschnittlicher Stunden- lohn, dafür weniger gesell- schaftliche Anerkennung. Für die Gruppe der Polizei-, Ge- richts- und Justizvollzugsberu- fe lässt sich dieselbe Tendenz erkennen, wenn auch jeweils nur mit geringfügiger Abwei- chung vom Durchschnitt“, heißt es in der Studie. << Mehr Frauen als Männer Für einen maßgeblichen Teil der systemrelevanten Berufe stellen die Autorinnen einen Frauenanteil von über 70 Pro- zent fest, während klassische „Männerberufe“ nur einen klei- nen Teil der systemrelevanten Berufe ausmachen. Damit nicht genug, denn während die Herausforderungen der aktuel- len Krisensituation zu einem großen Teil von Frauen getra- gen werden, leiden sie auch noch unter einem deutlichen Gender Pay Gap in Höhe von 16 Prozent. „Zwar ist die Ver- dienstlücke zwischen Frauen und Männern in diesen Berei- chen kleiner als im Durch- schnitt aller Berufe in Deutsch- land (20 Prozent). Dies liegt jedoch zum Teil daran, dass das Lohnniveau in diesen Berufs- gruppen auch insgesamt ge- ring ist“, so das DIW. << Dank allein genügt nicht Wenn eine deutliche Mehrheit der systemrelevanten Beschäf- tigten gemessen am Einkom- men und am sozialen Prestige nur eine unterdurchschnittliche Wertschätzung erfährt und wenn viele dieser Berufsgrup- pen zudem von akutem Perso- nalmangel betroffen sind, kom- men die Autorinnen der Studie zu dem Schluss, dass „neben einem verantwortungsvollen Umgang mit diesem Fachkräf- temangel unter anderem eine bessere Entlohnung und tarif- vertragliche Absicherung nötig“ seien. Die aktuelle Situation zei- ge deutlich, dass eine Debatte über die Rolle der Daseinsvor- sorge in Deutschland überfällig ist: „Ebenso schnell wie Kon- sens darüber bestand, welche Berufsgruppen angesichts der Krise zu den unverzichtbaren Kräften des gesellschaftlichen (Über-)Lebens gehören, so schnell sollten sich diese kon- kreten Maßnahmen umsetzen lassen, um zu einer höheren Entlohnung, besseren Arbeits- bedingungen sowie einer allge- meinen Aufwertung bestimm- ter Berufe beizutragen.“ DIW-Chef Marcel Fratzscher kritisiert in diesem Zusammen- hang, dass viele der system­ relevanten Berufe nicht durch Tarifverträge abgedeckt sind, „sodass die Beschäftigten eine schwache Verhandlungspositi- on gegenüber ihren Unterneh- men haben“. Die Politik könne einiges dafür tun, dass sich die- se Wertschätzung in einer bes- seren Bezahlung und einer grö- ßeren Arbeitsplatzsicherheit niederschlage. „Dazu wären mehr verbindliche Tarifverträge für viele der systemrelevanten Berufsgruppen genauso wichtig wie generell eine bessere Ent- lohnung dieser Berufe. Diese und andere aktive Maßnah- men, um gerade Frauen im Be- rufsleben besserzustellen und den Gender Pay Gap abzubau- en, würden systemrelevante Berufsgruppen auch attraktiver machen und mehr Menschen in diese so wichtigen Bereiche bringen“, so Fratzscher. 19 dbb > dbb magazin | Mai 2020

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