dbb magazin 7-8/2020
mie haben sich auch die Un zulänglichkeiten der IT-Infra- struktur klar gezeigt: zu wenig Laptops, fehlender Zugang zu sicheren Datenleitungen, zu geringe Bandbreite und über- lastete Speicherkapazitäten. Köppl: Und das ist nur die technische Seite! Homeoffice verändert auch die Arbeitskultur: Wie füh- re ich ein ortsunabhängiges Team? Wie gehe ich mit asyn- chronen Arbeitszeiten um? Wie schütze ich mich persön- lich vor einer Entgrenzung der Arbeit ins Privatleben? Die Be- wältigung von Krisen kann auch als zusammenschweißendes Gemeinschaftserlebnis in Ver- waltungen wahrgenommen werden – das kennen wir aus verschiedenen Projekten im Zu- sammenhang mit der Flücht- lingssituation ab 2015. Doch da- mals gab es den persönlichen Austausch, den Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen und Bürgerinnen und Bürgern. Wie kann das Menschliche auch ohne persönlichen Kontakt auf- gebaut werden? Auf diese Fra- gen sind die Verwaltungen noch sehr wenig vorbereitet. Die Folge ist, dass sich viele Mitarbeitende, aber auch Füh- rungskräfte mit der neuen Arbeitssituation überfordert und alleingelassen fühlen. Wie können sich Verwaltungen zukünftig besser auf eine sol- che Krise vorbereiten? Köppl: Interessanterweise stand der Ausfall digitaler Systeme in der Vergangenheit immer stark im Zentrum der Diskussi- onen. Wir befürchten eine di- gitale Abhängigkeit – wie vor ein paar Jahren, als in ein paar Bundesländern die Software der Kfz-Zulassungsstellen ge- hackt wurde und sie zwei Tage stillstanden. Nun ist uns aber von heute auf morgen das ge- samte analoge System wegge- brochen, der persönliche Kon- takt. Zum ersten Mal ist uns vor Augen geführt worden, dass die digitale Verwaltung mehr ist als einfach nur ein weiterer Kanal für ein paar „digitale Enthusiasten“, um Verwaltungsservices zu erle digen. Es ist ein notwendiges Rückhaltesystem, um arbeits- fähig zu bleiben. Wir haben in den vergangenen Monaten aufseiten der Verwaltungen aber auch aufseiten der Bür- ger und Unternehmen erfah- ren, wie wichtig die Digitali- sierung der Verwaltung ist. Meine Hoffnung ist, dass diese Erfahrung nachhaltig wirkt und wir nun umsetzungs orientierter an die digitale Verwaltung rangehen. Wie kamen Sie auf die Idee für die Studie „Verwaltung in Kri- senzeiten“ und was erhoffen Sie sich für Ergebnisse? Hammerschmid: Die Corona-Pandemie ist wie auch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 oder die Flüchtlingskrise 2015/16 der ultimative Test für Regie- rungsführung und Verwal tungshandeln. Die grundlegen- den Stärken und Schwächen der Verwaltung zeigen sich in solchen Extremsituationen wie im Brennglas und sind dadurch für wissenschaftliche Unter suchungen von besonderem Interesse. Leider wurden die vergangenen Krisen nicht aus- reichend genutzt, um die Er- fahrungen innerhalb der Ver- waltung systematisch zu erheben und aufzuarbeiten. Mit unserer Studie wollen wir genau das versuchen. Welche Lehren lassen sich aus den letz- ten Monaten ziehen, welche Veränderungen wollen wir dauerhaft beibehalten und was braucht es, um die Hand- lungsfähigkeit der Verwaltung auch bei zukünftigen Heraus- forderungen sicherzustellen. Das sind einige zentrale Fra- gen, zu denen unsere Studie einen Beitrag leisten will. Wie sehen denn ganz konkret die nächsten Schritte für die Studie aus? Köppl: Zunächst freuen wir uns, dass wir neben dem dbb vie- le weitere Unterstützer für un- ser Vorhaben finden konnten. Wir haben die Befragung vor kurzer Zeit gestartet (siehe Kasten) – sie läuft voraussicht- lich bis Mitte/Ende August. Anschließend werden wir die Daten auswerten und analy sieren. Gleichzeitig führen wir noch eine Bürgerbefragung durch, um einschätzen zu können, wie die Verwaltung aufseiten der Bürger in den letzten Wochen wahrgenommen wurde – auch hier erhoffen wir uns spannen- de Aussagen, zum Beispiel ob das Vertrauen in die digitalen Verwaltungsservices durch Co- rona gestiegen ist. Die finale Studie wird es voraussichtlich im Oktober geben, sie wird kostenfrei, auch ohne „Daten- spende“, zum Download ange- boten. In diesemMoment sind wir aber in erster Linie voller Vorfreude auf die ersten Zwi- schenergebnisse. JETZT MITMACHEN Befragung „Verwaltung in Krisenzeiten “ Verwaltungen leisten in den letzten Wochen viel: Anforderungen, Prioritäten und Bedürfnisse von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ändern sich fast täglich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müs- sen jedoch weiterhin ihre Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bür- ger erbringen, gleichzeitig geführt und motiviert werden – das alles unter ganz anderen Voraussetzungen. Hier setzt die Studie „Verwaltung in Krisenzeiten“, ein gemeinsames Projekt der Hertie School of Governance und Next:Public, an, die auch vom dbb beamtenbund und tarifunion unterstützt wird. Mit einer Umfrage soll herausgefunden werden, wie Verwaltungsmitarbeite- rinnen und -mitarbeiter mit den speziellen Arbeitsbedingungen in der Corona-Epidemie umgehen. Die Teilnahme an der Umfrage erfolgt webbasiert. Es werden keine personengebundenen Daten erhoben. Rückschlüsse auf einzelne Per- sonen sind nicht möglich. Die erhobenen Daten verbleiben zu jedem Zeitpunkt auf deutschen, BSI-zertifizierten Servern. Die Umfrage gibt es unter: https://lamapoll.de/verwaltung-in-krisenzeiten/. nachgefragt << Carsten Köppl ist Gründer und Geschäftsführer der Beratungsagentur Next:Public. Als Experte für zukunftsfestes Personalmanagement, demo- grafische Entwicklung, Kulturwandel und Digitalisierung der Verwaltung berät der Politikwissenschaftler und ehemalige Journalist unter anderem Ministerien und Kommunen. © AKDB / Mathis Beutel 13 dbb > dbb magazin | Juli/August 2020
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