dbb magazin 7-8/2020

portrait << Volle Konzentration im Gespräch: „Ich mache keinen schnellen Abwasch“, beschreibt Familienhelfer Block seine Art, mit Menschen umzugehen. © Jan Brenner (4) Ambulante Familienhilfe Damit der Faden nicht zerreißt Henry Block ist ambulanter Familienhelfer in einem Berliner Problemkiez. Seine Berufsbe­ zeichnung sagt, was er tut, und informiert durch das Adjektiv „ambulant“, lateinisch für „wan- dernd“, wie er es tun soll. Block geht zu den Familien. Er lässt sie nach Möglichkeit nicht ins Förderzentrum kommen. Seit Corona sind Hausbesuche besonders dort, wo viele Familien auf engstem Raum zusam- menwohnen, für alle Beteiligten riskant. Jetzt ist Pragmatismus gefordert, damit die von Block behutsam geknüpften Beziehungsfäden nicht zerreißen. Kein Mensch auf dem Basket- ballplatz vorm Haus und auch drinnen im Familienzentrum ist an diesem Nachmittag im Juli kein Publikumsverkehr aus- zumachen. „Was haben Sie er- wartet“, fragt Henry Block, „wir haben Sommerferien – und wir haben Corona. Nor­ malerweise finden hier eine Menge Gruppenangebote statt. Doch das ist momentan noch schwierig wegen der Hygieneregeln.“ Den Namen und die genaue Adresse des Familienförderzen- trums, in dem er seit einigen Jahren tätig ist, möchte Block nicht veröffentlicht sehen. Ge- rade wegen des guten Einver- nehmens mit seinem Arbeit­ geber ziehe er es vor, seine persönlichen Eindrücke als Sozi- alarbeiter und Gewerkschafter zu schildern: Dass er in einem sogenannten „Problemkiez“ tätig ist, darf aber doch verra- ten werden. „Die Bewohner dieses Stadtteils haben wenig Geld, viele müssen von Sozial- leistungen leben. Die geringen finanziellen Ressourcen ziehen dann andere Konsequenzen nach sich“, erklärt der Sozialar- beiter. „Struktureller Rassismus und geringere Bildungschancen für Menschen nicht deutscher Herkunft und für Menschen aus bildungsferneren Schichten führen schließlich dazu, dass hier viele Menschen nicht deut- scher Herkunft wohnen. Das größte Problem der Menschen hier aber ist ihre Armut.“ << Vertrauen gewinnen in kleinen Schritten „Wer unter solchen Bedingun- gen lebt, ist schnell auch von alltäglichen Sachen überfor- dert“, so Block weiter. „Wenn mangelnde Sprachkenntnisse dann verhindern, dass Formula- re richtig ausgefüllt werden, gibt es irgendwann auch keine Hartz-IV-Leistungen mehr.“ An diesem der Alltagswirklichkeit entlehnten Beispiel schildert der Familienhelfer, wann er ins Spiel kommt. Angenommen, eine Familie hat kein Geld mehr und zugleich rücken auch noch die Kinder in den Fokus des Jugendamtes, „dann nimmt das Jugendamt Kontakt zu den freien Trägern auf, die sich im staatlichen Auftrag um Kinder- und Jugendhilfe-Maßnahmen kümmern.“ Und dann landet ein solcher Vorgang bei Block. Hat er den Auftrag, beginnt seine Aufgabe, die Block als „Vertrauen gewinnen in klei- nen Schritten“ beschreibt. Wie viel Mühsal ohne Zweifel damit verbunden ist, in jedem neuen Fall erst einen Faden und dann vielleicht ein Band des Vertrauens zu knüpfen, er- wähnt er nicht. Sieben Jahre Berufserfahrung in verschiede- nen Bereichen der Sozialarbeit haben der gelassenen Zuge- wandtheit des 30-jährigen Berliners offensichtlich noch keinen Schaden zugefügt. „Die Termine mit den Familien sind schon anstrengend, und es kostet auch Energie, wenn ich im Rahmen der Einzelfallhilfe bei Jugendlichen mit besonders schwierigen Menschen zusam- menkomme – aber ich passe schon auf mich auf“, sagt er. Als einen Stabilisator gegen den in seiner Branche nicht sel- tenen Burn-out nennt Block das gute Verhältnis zu seinen Chefs und den Kolleginnen und Kollegen: „Wir sind ein Super- 16 > dbb magazin | Juli/August 2020 dbb

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