dbb magazin 9/2020
blickpunkt „Hände schütteln ist ja nicht. Also dann sag ich mal: tschüss“, lacht Ralf Schmidt und winkt verle- gen ab. Er dreht sich um und geht wieder in das Hauptgebäude der Fließ- und Stillgewässer-Simu- lationsanlage am Berliner Stadtrand. Von der Anlage, die in den 90er-Jahren gebaut wurde, geht der Blick in die Brandenburger Weite. Eine gute Stunde zuvor sitzt Schmidt in seinem Büro, hinter ihm ein Regal mit aneinander- gereihten Plastikflaschen. Eine davon sieht noch recht neu aus, der Kunststoff ist noch durch- sichtig. Die anderen sind be- reits milchig geworden, alle in unterschiedlichen Abstufun- gen. „Daran kann man die Ab- nutzung erkennen“, erklärt Schmidt. Die Plastikflaschen seien Teil einer längeren Studie, die sich über mehrere Saisons hinzieht, so der Forscher weiter. Untersucht werden soll, wie schnell die Flaschen Mikroplas- tik ins Wasser abgeben und welche Auswirkungen das auf Pflanzen und Kleinstlebewesen haben kann. Dabei werden die Flaschen in unterschiedliche künstlich angelegte Wasserbio- tope gelegt. Etwa in eine Bran- dung, in der permanent kleine Wellen über den Flaschen bre- chen. Oder in einen simulierten Bachlauf. „Dauert gar nicht lan- ge“, zeigt Schmidt beiläufig auf eine der arg mitgenommenen Kunststoffflaschen, „bis die so abgenutzt aussehen – ein paar Wochen vielleicht.“ << Biodynamik und labor- ähnliche Kontrolle Die Fließ- und Stillgewässer-Simulationsanlage (FSA) des Umweltbundesamtes ist eine sogenannte Mesokosmenanla- ge. Darin lassen sich fließende, stehende und durchströmte Gewässer mit den darin befind- lichen aquatischen Lebens gemeinschaften nachbilden. Dadurch können hier Untersu- chungen stattfinden, die sich einerseits sehr nah an den na- türlichen Gegebenheiten in den Gewässern orientieren und die andererseits optimale Bepro- bungsmöglichkeiten bieten – fast wie im Labor. Der Zweck dieser Mesokosmenexperimen- te ist es etwa, gezielt Stoffe oder Mikroorganismen einzu- bringen, um ihre Wirkung auf Flora und Fauna festzustellen. Darüber hinaus beobachten die Forscher, wie sich die ein gebrachten Stoffe verteilen und wie stabil sie bleiben. „Ein relativ bekanntes Beispiel dafür war unsere Studie zu den Antifouling-Mitteln“, erklärt Schmidt. Dabei wurden die bio- ziden Wirkstoffe von Beschich- tungen untersucht, die seiner- zeit für das Auftragen auf Schiffsrümpfen vorgesehen waren. „Wir haben die entspre- chenden Wirkstoffe in unsere gezüchteten Systeme gegeben und gesehen, dass sie den Was- serpflanzen sichtbar geschadet haben.“ Die Untersuchungen führten laut Schmidt letzten Endes dazu, dass die EU-Kom- mission diese Antifouling-Be- schichtungen verboten hat. Ralf Schmidt ist Fachgebietslei- ter im Fachbereich Chemikali- ensicherheit. Er ist zuständig << Fließwassergewässer können in der Anlage so simuliert werden, dass sie natürlichen Bedingungen entsprechen. << Die Außenanlage ermöglicht Versuche unter Wettereinfluss. © UBA (3) 20 > dbb magazin | September 2020
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