dbb magazin 9/2020
blickpunkt für Spurenanalytik und eben die Fließ- und Stillgewässersi- mulationen. Dabei ist er, wie er selbst sagt, in das Thema Umweltschutz „irgendwie reingerutscht“. Der studierte Lebensmittelchemiker hat vor geraumer Zeit Stoffe in Lebens- mitteln getestet und darüber seine Begeisterung für das Thema entdeckt. Schmidt steht auf einer Brücke, die quer über das grüne Fließ- rinnensystem führt, das sich in langen, größtenteils halb- runden Bahnen durch eine In- dustriehalle schlängelt. „Die gesamte Anlage ist modular aufgebaut“, zeigt Schmidt, „wir können die Rinnen so stecken, wie wir es brauchen.“ Dafür gibt es unterschiedliche Bauteile wie etwa ein recht- eckiges Becken, dessen Boden im Vergleich zu den anderen Stücken etwas abgesenkt ist. In ein paar dieser Becken wer- den gerade neue Wasserpflan- zen herangezüchtet. „Wir sind gerade am Umbauen, zwi- schen zwei Versuchen“, betont Schmidt. Die Halle stehe aber auch während der Versuche so leer wie jetzt. „Wir benötigen hier in der Regel immer nur ein paar Proben, die wir dann in den Laboren analysieren.“ Draußen vor der Halle ist noch ein zweites Wannensystem in stalliert. „Hier sind die Bedin- gungen noch naturnäher“, fährt Schmidt fort. Hier komme der Regen dazu, der Wind, die Sonne und weitere äußere Be- dingungen. „Da kommen auch immer mal wieder Vögel und trinken aus demWasser oder picken sich ein paar der Insek- ten, die wir hier züchten.“ << Schadstoffe im Test Denn um die Natur so gut es geht künstlich nachzuahmen, stellen Schmidt und seine Kol- leginnen und Kollegen kleine Nahrungsketten in den Becken her. Wasserpflanzen, Insekten, Larven, Wasserflöhe, Schne- cken und vieles Getier mehr. „Wir machen das natürlich auch immer abhängig vom Stoff, den wir testen wollen“, sagt Schmidt, „je nachdem ob es sich dabei um ein Herbizid oder ein Insektizid handelt.“ Die Tests laufen ähnlich vielfäl- tig ab. Oft wird das Schlupfver- halten der Insekten analysiert oder die Wasserpflanzen wer- den gewogen und mit einem Blindwert verglichen. „So nen- nen wir die Systeme, in die wir keine zu untersuchenden Stof- fe eingegeben haben“, so der Forscher. Schmidt hat seine Mütze tief ins Gesicht geschoben und er- klärt draußen die nebeneinan- der stehenden Rinnen. „Wir bringen die Schadstoffe oft in aufsteigenden Konzentratio- nen aus – in jeder Rinne unter- schiedlich“, so Schmidt. Durch die verschiedenen Ergebnisse bei Pflanzen und Tieren wür- den dann sogenannte Effekt- konzentrationen ermittelt. „Ist diese Wirkungskonzentration sehr nah an demWert, wie er voraussichtlich in der Umwelt vorkommen wird, gibt es ein Problem“, betont der Wissen- schaftler. << Ohne Daten keine Simulation Dem Forscher ist wichtig zu erwähnen, dass in der Fließ- und Stillgewässer-Simulati- onsanlage nur geprüft wird, wenn bereits Laborergebnisse vorhanden sind. „Zunächst sind die Unternehmen ver- pflichtet, neue Wirkstoffe selbst im Labor zu testen“, so Schmidt. Diese Ergebnisse würden dann vom Umwelt- bundesamt überprüft. Was in der Anlage in Berlin gemacht werde, seien Stichproben un- ter naturnahen Bedingungen. „Wir simulieren hier nur“, führt er aus, „wenn wir mit unseren Kolleg(inn)en der an deren Fachgebiete im UBA gemeinsam bewertet haben, dass ein Wirkstoff schädliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte.“ Auf sein Bewusstsein und die Wertschätzung für das Gleichgewicht von Natur und Umwelt hat sein Job im Übri- gen keinen Einfluss. „Das war eigentlich schon immer da“, sagt Schmidt achselzuckend, „das hat sich durch die Arbeit höchstens noch ein wenig intensiviert.“ dro << Ralf Schmidt erforscht Fließgewässer für das Umweltbundesamt. << Pflanzenzucht gehört ebenfalls dazu. © Selina Lampe 21 dbb > dbb magazin | September 2020
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