dbb magazin 9/2020

online Ernährung und Ökologie Umdenken für Klima, Umwelt und Tierwohl Fleischersatzprodukte wie vegetarische Wurst, Schnitzel oder Frikadellen werden in Deutschland immer beliebter. Das Umweltbundesamt hat in der Studie „Fleisch der Zukunft“ untersucht, wel- che Auswirkungen Fleischersatzprodukte auf Um- welt und Gesundheit haben und welche Rolle sie in einer zukünftigen Ernährung spielen könnten. Dabei geht es nicht nur um Gesundheitsaspekte. Auch die Umwelt wird von der intensi- ven Nutztierhaltung stark be- lastet. Neben einem hohen Flä- chen- und Wasserverbrauch, der Böden und Gewässer be- lastet und mit Emissionen zum Klimawandel beiträgt, steht auch das Tierwohl immer mehr im Fokus des öffentlichen Inte- resses. Trotzdem wird die Tier- haltung weltweit ausgeweitet: Die Weltbevölkerung wächst, zugleich verändert der zuneh- mende Wohlstand in vielen Schwellen- und Entwicklungs­ ländern das Ernährungsverhal- ten der Menschen. Nach aktu- ellen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hat der jährliche Fleischverbrauch pro Kopf seit 1990 weltweit um knapp 30 Prozent zuge- nommen. Bis 2013 stieg der durchschnittliche Jahreskon- sum von 33 auf 43 Kilogramm, wobei der Verbrauch regional stark schwankt. Während in Indien kaum Fleisch gegessen wird (3,7 Kilo pro Kopf und Jahr) werden in China hinge- gen pro Kopf im Jahr über 60 Kilogramm verbraucht, in den Vereinigten Staaten im Durchschnitt sogar deutlich über 100 Kilogramm. Laut Weltagrarbericht hat sich die globale Fleischproduktion in den vergangenen 50 Jahren sogar von 78 auf 308 Millionen Tonnen pro Jahr gut vervier- facht. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) erwartet einen Anstieg auf 455 Millionen Tonnen jährlich bis 2050. In Deutschland waren es 2013 laut Daten der FAO rund 86 Kilo- gramm pro Kopf im Jahr. Mit Abstand am beliebtesten war Schweinefleisch (52 Kilogramm), gefolgt von Geflügel (18 Kilo- gramm) und Rind (13 Kilo- gramm). Bis heute ist der Wert zwar auf rund 60 Kilo gesunken. Dennoch bleibt der Fleischver- zehr gemessen an den Empfeh- lungen der Deutschen Gesell- schaft für Ernährung im Durchschnitt viel zu hoch. Das bringt nicht nur gesund- heitliche Probleme für viele Menschen mit sich. Auch die Natur leidet darunter, weil rie- sige Rinderfarmen einerseits große Mengen an Methan aus- stoßen. Das Gas ist weitaus schädlicher für das Klima als Kohlendioxid, weil es die At- mosphäre über zwanzigmal so stark aufheizt wie CO 2 . Dazu summieren sich auf der ande- ren Seite der Energieaufwand für Verarbeitung, Kühlung und Erhitzung von Fleisch sowie die Transportkosten für Tierfutter. Weiter werden immer mehr natürliche Ressourcen ver- braucht. Nach Angaben des Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) werden große Mengen an Land, Wasser, Ener- gie und Getreide benötigt, bis ein Tier als Steak oder Wurst auf unseren Tellern liegt. In je- dem Kilo Rindfleisch stecken beispielsweise 6,5 Kilogramm Getreide, 36 Kilogramm Rauh- futter und 155 Liter Wasser – zuzüglich 15 300 Liter Wasser, die für die Produktion des Fut- ters benötigt wurden. Weitere Folgen sind höhere Preise bei Grundnahrungsmitteln infolge der steigenden Nachfrage nach Tierfutter, Wasserknappheit und verstärkter Hunger in vie- len Teilen der Erde. Ein Viertel der eisfreien Erd- oberfläche wird laut FAO in- zwischen für die Viehwirt- schaft genutzt. Unter anderem werden nach wie vor gewaltige Gebiete im Amazonaswald für die Nutztierhaltung abgeholzt. Rodungen, die nicht nur die Ar- tenvielfalt bedrohen, sondern auch das Weltklima. Zudem führen die entstehenden Mo- nokulturen zu Bodenerosion. << Fleisch muss teurer werden Es spricht also vieles dafür, den Fleischkonsum entschieden zu drosseln. Fleischersatz auf pflanzlicher Basis, zum Beispiel aus Soja, Weizen oder Erbsen könnte dabei helfen. Im Ver- gleich zu Rindfleisch entstehen bei der Produktion solcher Fleischersatzprodukte bis zu weniger als ein Zehntel der Treibhausgase und ein um ein Vielfaches geringerer Wasser- und Flächenverbrauch. Etwas schlechter schneidet Fleisch­ ersatz auf Insektenbasis ab. Das hat eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes (UBA) ergeben. In-vitro-Fleisch aus dem Zuchtlabor ist noch nicht amMarkt verfügbar, sodass die Umweltauswirkungen bisher schwer abzuschätzen sind. Die Studie attestiert Fleisch­ ersatz grundsätzlich ein hohes Potenzial, sieht aber große Hemmnisse bei den politischen Rahmenbedingungen und der Akzeptanz. Dirk Messner, Prä­ sident des UBA, sagt dazu: „Fleischproduktion schadet nachweislich der Umwelt und trägt zur Erderwärmung bei. Unsere Studie zeigt: Fleisch­ ersatz könnte eine große Rolle bei einer umweltschonenderen und auch gesünderen Ernäh- rung spielen. Solange der Preis der Lebensmittel aber nicht auch die Umweltschäden wi- derspiegelt, wird das billige Nackensteak noch länger den Vorzug vor einem Sojaschnitzel bekommen. Hier ist die Politik gefragt, diese Rahmenbedin- gungen zu verändern.“ Pflanzliche Fleischersatzpro- dukte stehen im Vergleich zum konventionell erzeugten Fleisch den Forschungsergebnissen zu- folge gut da, was die Umwelt- bilanz betrifft. Das liegt unter anderem daran, dass Pflanzen wie Weizen und Soja der menschlichen Ernährung auf direktemWeg dienen können. Werden Pflanzen erst als Tier- futter genutzt, werden deutlich mehr pflanzliche Kalorien und auch deutlich mehr Ackerflä- che, Wasser und Energie benö- tigt, bis die Kalorien beimMen- schen ankommen. Ein Beispiel: Für die Produktion eines Kilos Fleischersatz auf Sojabasis wer- den 2,8 Kilo Treibhausgase aus- gestoßen. Für Schweinefleisch beträgt der Ausstoß 4,1 Kilo, für Geflügel 4,3 Kilo und für Rindfleisch sogar 30,5 Kilo. << Ran an die Insekten! Erzeugnisse aus essbaren Insek- ten liegen aus Umweltsicht auf Platz zwei. Ihre Ökobilanz ist gegenüber pflanzlichen Fleisch­ Foto: Colourbox.de 40 dbb > dbb magazin | September 2020

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