dbb magazin 9/2020
einkommensrunde 2020 Forderung zur Einkommensrunde 4,8 Prozent – „Nicht trotz, sondern wegen Corona“ dbb Chef Ulrich Silberbach erwartet schwierige Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Die Forderung nach 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro mehr Einkommen sei angesichts der Umstände „bescheiden“. „Das werden ungewöhnlich schwere Verhandlungen“, sag- te Silberbach am 25. August 2020 bei der Vorstellung der gewerkschaftlichen Forderung für die am 1. September begin- nende Einkommensrunde in Berlin. „Unsere Forderung nach einem Plus von 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro ist gera- dezu bescheiden, denn ohne die Kolleginnen und Kollegen hätten wir die Corona-Krise bis zum heutigen Tag niemals so gut gemeistert. Diese Forde- rungen erheben wir also nicht trotz, sondern wegen Corona.“ Der öffentliche Dienst sei sys- temrelevant und die Beschäf- tigten hätten mehr verdient als warme Worte. Das werde man trotz Pandemie auch öf- fentlich zeigen: „Abstand hal- ten ist ein Gebot der Stunde. Dass wir als dbb die Verhand- lungen in Potsdam und mögli- che Aktionen im Land corona- gerecht durchführen werden, versteht sich von selbst. An- stand wahren ist aber auch un- ser Appell an die öffentlichen Arbeitgeber.“ Diese hatten bei Vorgesprächen vor einigen Wo- chen nicht einmal darüber dis- kutieren wollen, ob es sinnvoll sein könnte, die Einkommens- runde in Zeiten der Pandemie zu verschieben. Stattdessen hatte der Präsident der Vereini- gung der kommunalen Arbeit- geberverbände (VKA), Ulrich Mägde, sich für extrem lange Laufzeiten ausgesprochen und einen Inflationsausgleich als „Einkommenserhöhung“ ange- boten. „Da die Inflationsrate im Juli bei minus 0,1 Prozent lag, müssten die Beschäftigten dann sogar noch Geld mitbrin- gen“, machte Silberbach sei- nem Unmut Luft. Auch die geforderte Anglei- chung der Arbeitszeit in Ost und West sei mehr als überfällig, er- gänzte dbb Fachvorstand Tarif- politik Volker Geyer: „Im Herbst feiern wir den 30. Jahrestag der deutschen Einheit. Statt noch mehr Sonntagsreden wollen wir dort ein klares Signal für mehr Gerechtigkeit und die Aufhe- bung der Unterschiede bei der Arbeitszeit.“ Gerade jetzt seien zudem auch bessere Arbeitsbe- dingungen und Bezahlung in der Pflege mehr als angebracht. „Der Bereich muss viel attrakti- ver werden. Die Krise ist noch nicht vorbei“, so Geyer. Jetzt gehe es darum, nicht am fal- schen Ende zu sparen. Silberbach betonte, dass am Ende der Einkommensrunde die zeitgleiche und systemgerechte Übertragung der Tarifeinigung auf den Bundesbeamtenbereich stehen muss: „Auch hier erwar- ten wir klare Zusagen und die Angleichung der Arbeitszeit.“ Unterstützung für die Forde- rung kommt auch von der dbb jugend. „Trotz widriger Umstände haben die Beschäf- tigten des öffentlichen Diens- tes in den vergangenen Mona- ten alles gegeben, damit der Staat funktioniert. Alle Berei- che waren gefordert, damit das gesellschaftliche Leben so normal wie möglich weiter- geht“, bekräftigte die Vorsit- zende der dbb jugend, Karoline Herrmann. Dabei sei die Ar- beitsbelastung für viele Kolle- ginnen und Kollegen schon un- ter normalen Bedingungen oft grenzwertig. „Eine Erhöhung der Ausbildungs- und Prakti- kantenentgelte um 100 Euro und eine Erhöhung der Tabel lenentgelte um 4,8 Prozent ist daher absolut angemessen“, sagte Herrmann und kritisier- te, dass die bereits signalisierte ablehnende Haltung der Ar- beitgeber auch mit Blick auf die Personalentwicklung ab solut kurzsichtig sei. „Reicht es nicht, dass unsere Technik oft veraltet ist? Dass unsere Führungskräfte sich mit ‚neuen‘ Arbeitsformen wie Homeoffice vielfach sehr schwertun? Müssen die Arbeit- geber jetzt auch noch aller Welt vorführen, dass sie Leistung und Einsatz nicht belohnen wollen?“ Nachwuchsgewin- nung sei unter diesen Vorzei- chen mehr als schwierig. << Hintergrund Vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen (TVöD) sind insgesamt etwa 2,5 Millionen Beschäftigte direkt oder indirekt betrof- fen: rund 2,3 Millionen Ar- beitnehmende des Bundes und der Kommunen sowie weiterer Bereiche, für die der TVöD direkte Auswir- kungen hat, sowie rund 225000 Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte sowie Anwärterinnen und Anwär- ter beim Bund, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll. << dbb Chef Ulrich Silberbach (links) und der ver.di -Vorsitzende Frank Wernecke erläuterten die Einkommens forderung in Berlin. © Marco Urban 6 dbb > dbb magazin | September 2020
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