dbb magazin 10/2020

hintergrund nicht fahrlässig mit der wert­ vollen Ressource Mensch um­ gehen darf.“ << Polizei im Brennpunkt Kaum eine andere Berufsgrup­ pe des öffentlichen Dienstes repräsentiert den Staat so sichtbar wie Polizistinnen und Polizisten. „Dein Freund und Helfer“ gerät dabei immer öf­ ter in den Brennpunkt gewalt­ tätiger Auseinandersetzun­ gen. Die Kolleginnen und Kollegen haben mit sinken­ dem Respekt und fallenden Hemmschwellen zu kämpfen. Seit dem Jahr 2010 erstellt das Bundesministerium des In­ nern – auch auf den anhalten­ den Druck durch die Gewerk­ schaften hin – ein Lagebild „Gewalt gegen Polizeivoll­ zugsbeamtinnen und Polizei­ vollzugsbeamte“. Es zeigt eine nach wie vor hohe Zahl von Gewaltvorfällen: Für das Jahr 2019 wurden 36 959 Fälle des Widerstands gegen und tätli­ chen Angriffs auf die Staatsge­ walt registriert. Davon gingen auf Bundesebene 14 919 Fälle mit tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen ein­ her. 69,1 Prozent davon wur­ den von deutschen Täterinnen und Tätern begangen. Rainer Wendt, Bundesvorsit­ zender der Deutschen Polizei­ gewerkschaft (DPolG), erläutert dazu, dass die meisten Atta­ cken nicht bei Großeinsätzen, sondern im täglichen Einsatz stattfinden, bei alltäglichen Anlässen wie Verkehrskontrol­ len, der Unfallaufnahmen oder Ordnungsstörungen. Aber auch die Vielzahl an Demonstratio­ nen bundesweit und die zu­ nehmende Radikalisierung in der Gesellschaft hätten dazu beigetragen, „dass unsere Kol­ leginnen und Kollegen immer stärker zwischen die Fronten geraten und das aushalten müssen, was die Politik in den letzten Jahren versäumt hat“. Ein Grund dafür seien Stel­ lenabbau und Kürzungen. Eine Entwarnung sieht Wendt bis­ her nicht: „Die Polizei der Zu­ kunft wird noch mehr als bis­ her eine starke, wehrhafte und durchsetzungsstarke Polizei sein müssen.“ << Gewalt im Klassenzimmer Auch bei Fällen von Gewalt gegen Lehrkräfte kann schon lange nicht mehr von Einzel­ fällen gesprochen werden. Im Rahmen der Forsa-Schullei­ tungsumfrage „Gewalt gegen Lehrkräfte“, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) regelmäßig in Auftrag gibt, zei­ gen die Fallzahlen das Gegen­ teil. In den vergangenen fünf Jahren gab es an der Hälfte der Schulen direkte psychische Ge­ walt gegen Lehrkräfte, an ei­ nem Fünftel Cybermobbing und an jeder vierten Schule körperliche Gewalt gegen Lehr­ kräfte. „Nach der Lehrkräftebe­ fragung vom November 2016 wird mit der aktuellen, bun­ desweit repräsentativen Schul­ leitungsbefragung vomMai 2018 erneut deutlich, wie rele­ vant das Thema ist. Die Ergeb­ nisse sind so eindeutig wie er­ schütternd“, kommentiert Udo Beckmann, Bundesvorsitzen­ der des VBE, die Ergebnisse. Bei der Umfrage wurden 1 200 Schulleitungen allgemeinbil­ dender Schulen danach be­ fragt, ob es an ihrer Schule Ge­ walt gegen Lehrkräfte gibt, welche Arten von Gewalt auf­ treten und ob sie die angegrif­ fenen Lehrkräfte ausreichend unterstützen können. „Wir brauchen öffentliche Statisti­ ken. Nur wenn das Ausmaß für die Ministerien greifbar wird, werden sie die angemessenen Maßnahmen umsetzen, um Lehrkräfte besser zu schützen, im Falle eines Falles besser zu unterstützen und das Klima an den Schulen langfristig zu ver­ bessern“, so Beckmann, der da­ von überzeugt ist, dass öffent­ lich zugängliche Zahlen einen positiven Effekt haben. So sag­ ten 2016 noch 57 Prozent der befragten Lehrkräfte, dass Ge­ walt gegen Lehrkräfte ein Ta­ butema sei. 2018 waren es nur noch 39 Prozent. Jede zehnte Schulleitung gibt an, dass die Lehrkräfte nach ei­ nem Gewaltvorfall nicht aus­ reichend unterstützt werden konnten. Als Gründe nennen 63 Prozent von ihnen, dass sich betroffene Schülerinnen und Schüler uneinsichtig zeigten, und 59 Prozent bemängeln, dass Eltern nicht kooperations­ willig waren. Jede dritte Schul­ leitung sagt, dass sich das Schulministerium des Themas nicht ausreichend annimmt. „Wenn zudem jeweils 20 Pro­ zent der Befragten angeben, dass die Meldung zu bürokra­ tisch sei, sie zu viele andere Aufgaben haben, eine Meldung zu Reputationsverlusten führe und sich die Schulverwaltung des Themas nicht ausreichend annehme, ist das beschämend.“ Zudem sagen elf Prozent, dass die Meldung von Vorfällen von den Schulbehörden nicht ge­ wünscht sei. Das größte Prob­ lem sieht der VBE im fehlenden Rückhalt aus der Politik und in der immer weiter steigenden Menge an Aufgaben. Mittler­ weile stellen sich Erfolge ein: Seit Juni 2018 hat die Kultus­ ministerkonferenz das Thema Gewalt gegen Lehrkräfte auf der Tagesordnung. br © Maren Winter / Colourbox.de << dbb Webtipps >> dbb Bürgerbefragung Gewalt gegenüber öffentlich Bediensteten: https://bit.ly/2FjyBI5 >> Sonderseiten des dbb Hessen zum Thema Gewalt gegen Beschäftigte: https://bit.ly/3bKKLWi >> Studie Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste in Nordrhein-Westfalen: https://bit.ly/2ZJBtoP >> Initiative der dbb jugend nrw: www.angegriffen.info >> GDL-Studie „Mit Sicherheit“: https://bit.ly/2FuyhGk >> Bundeslagebilder Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte: https://bit.ly/3jZVrDk >> VBE-Sonderseite zum Thema Gewalt gegen Lehrkräfte: https://bit.ly/3bV56IA 18 dbb > dbb magazin | Oktober 2020

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==