dbb magazin 11/2020

online Hasskriminalität Veto mit Auftrag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dem Gesetz zur Bekämpfung von Rechts­ extremismus und Hasskriminalität die Unterschrift verweigert. Damit will das Staatsoberhaupt das Gesetz nicht ver­ hindern, sondern es vor dem Bundesver­ fassungsgericht retten. Der Gesetzentwurf der Koali­ tion und der Regierung war am 18. Juni 2020 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet worden. Auch der Bundesrat hatte das Gesetz bereits gebil­ ligt. Es soll vor allem um eine effektive Strafverfolgung auch bei Tatbegehungen im Internet sicherstellen. Im Internet und besonders in den sogenannten sozialen Medien sei eine zuneh­ mende Verrohung der Kommu­ nikation zu beobachten. Dies gefährde letztendlich die Mei­ nungsfreiheit, die der Staat mit den ihm zur Verfügung stehen­ den Mitteln zu verteidigen habe, heißt es in den gleichlau­ tenden Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung. << Soziale Netzwerke in der Pflicht Nach Informationen des Deut­ schen Bundestages wird mit dem Gesetz eine Meldepflicht der Anbieter sozialer Netzwer­ ke im Sinne des Netzwerk­ durchsetzungsgesetzes einge­ führt. Sie werden verpflichtet, ein System einzurichten, wo­ nach bestimmte strafbare In­ halte an das Bundeskriminal­ amt zu melden sind. Erfasst werden nur solche Inhalte, bei denen es konkrete Anhalts­ punkte für die Erfüllung eines Straftatbestandes gibt und die anhaltende negative Auswir­ kungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in den so­ genannten sozialen Medien haben können. Zusätzlich wird das Zu­ gänglichmachen kinderpor­ nografischer Inhalte erfasst. Der Katalog der rechtswidrigen Inhalte nach dem Netzwerk­ durchsetzungsgesetz wurde um das Delikt der Verunglimp­ fung des Andenkens Verstor­ bener ergänzt, da die Erfahrun­ gen aus der Ermordung des Kasseler Regierungspräsiden­ ten Walter Lübcke 2019 ge­ zeigt hätten, wie sehr Hetze im Netz mittlerweile auch in die­ ser Form ihren Ausdruck findet. Zudem wird der Straftatenka­ talog des Strafgesetzbuches dahingehend erweitert, dass zukünftig auch die Androhung einer gefährlichen Körperver­ letzung strafbar sein kann. Auch die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten wird er­ fasst. Öffentlich, in einer Ver­ sammlung oder durch Verbrei­ ten von Schriften getätigte beleidigende Äußerungen kön­ nen künftig im Höchstmaß mit zwei Jahren Freiheitsstrafe be­ straft werden. Der Tatbestand der üblen Nachrede und Ver­ leumdung gegen Personen des politischen Lebens gilt auch für Taten gegen Personen bis hin zur kommunalen Ebene. << Schutz der Persönlichkeitsrechte Unter dem Tatbestand Bedro­ hung werden künftig auch die Bedrohung mit einer rechts­ widrigen Tat gegen die sexuel­ le Selbstbestimmung, die kör­ perliche Unversehrtheit, die per­ sönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert vom Tatbestand er­ fasst. Bei der Strafzumessung werden antisemitische Motive eines Täters besonders berück­ sichtigt. In der Strafprozess­ ordnung wurden die Regelun­ gen über die Verkehrs- und Bestandsdatenerhebung ge­ genüber Telekommunikations­ diensteanbietern auf Maßnah- men gegenüber Telemedien- diensteanbietern erweitert. Ein möglicher Knackpunkt des Gesetzes ist, dass es zwar eine Anzeigepflicht für die Betreiber sozialer Netzwerke gegenüber einer neu dafür eingerichteten Zentralstelle beim Bundeskri­ minalamt enthält, dazu aber personenbezogene Bestands­ daten wie Name, Adresse und Geburtsdatum der Verfasserin­ nen und Verfasser entspre­ chender Posts übermittelt werden müssten. << Strittiger Datenschutz Genau das könnte aus Daten­ schutzgründen vor dem Bun­ desverfassungsgericht schei­ tern, das wiederumMitte Juli einen Beschluss veröffentlicht hat, nach dem sol­ che Daten nicht „ins Blaue hinein“ abrufbar sein dürfen. Zu diesem Ergebnis waren auch zwei Gutachten des wis­ senschaftlichen Dienstes des Bundestages gekommen. Da­ mit das sogenannte „Hate- Speech-Gesetz“ im Ernstfall auch vor dem Bundesverfas­ sungsgericht besteht, müssen entsprechende datenschutz­ rechtliche Vorgaben berück­ sichtigt und eingearbeitet werden. Bislang ist es mit acht Fällen eher selten gewesen, dass ein Bundespräsident einem Gesetz die Unterschrift verweigert hat. Mit seinem Veto hat der Bundespräsident der Großen Koalition Zeit gegeben, die strittigen Punkte so zu präzi­ sieren, dass sie verfassungs­ konform sind. br © Unsplash.com/Heather M. Edwards 34 dbb > dbb magazin | November 2020

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