dbb magazin 11/2020

Arbeitsrecht im TV-L Nebenjob kann verboten sein Arbeitgebende können gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Arbeitnehmenden unter bestimm­ ten Voraussetzungen eine entgeltliche Nebentä­ tigkeit untersagen oder diese mit Auflagen verse­ hen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einem Urteil vom 19. Dezember 2019 (Aktenzei­ chen 6 AZR 23/19) festgestellt. Die Beklagte ist eine Körper­ schaft des öffentlichen Rechts. Sie soll als kassenärztliche Ver­ einigung die ambulante medizi­ nische und psychotherapeuti­ sche Versorgung der Einwohner im Gebiet Nordrhein-Westfalen sicherstellen und die Interessen der Ärztinnen und Ärzte gegen­ über den Krankenkassen ver­ treten. Der Kläger ist bei der Beklagten als Niederlassungs­ berater beschäftigt. Er berät unter anderem Ärztinnen und Ärzte bei der Gründung einer Praxis bis zu deren Verkauf in seinem örtlichen Zuständigkeits­ bereich. Auf das Arbeitsverhält­ nis findet der TV-L aufgrund vertraglicher Vereinbarung An­ wendung. Der Kläger informier­ te die Beklagte imMärz 2018, dass er ab Juni 2018 beabsichti­ ge, eine Nebentätigkeit im Um­ fang von sechs Stunden pro Woche in der Praxis seiner Le­ bensgefährtin aufzunehmen. Hierbei handele es sich um all­ gemeine Bürotätigkeiten mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von 450 Euro. Die Beklag­ te untersagte die beabsichtigte Nebentätigkeit im April 2018 und verwies hierbei auf § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L, der auszugs­ weise lautet: „Nebentätigkei­ ten gegen Entgelt haben die Be­ schäftigten ihrem Arbeitgeber rechtzeitig vorher schriftlich an­ zuzeigen. Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn diese geeignet ist, die Er­ füllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Beschäftigten oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchti­ gen. (…)“ Die Beklagte ist der Auffassung, dass durch die Nebentätigkeit aus objektiver Sicht eines Dritten ein Interes­ senkonflikt mit der Tätigkeit als Niederlassungsberater ent­ stehen könne. Denn andere Vertragsärzte könnten eine Bevorzugung der Praxis der Lebensgefährtin des Klägers vermuten. Die Nebentätigkeit sei somit objektiv geeignet, die berechtigten Interessen der Beklagten zu beeinträchtigen. Die dagegen eingereichte Klage blieb in allen Instanzen erfolg­ los. Die Entscheidung macht klar, dass nach § 3 Abs. 4 TV-L ein Regel-Ausnahme-Prinzip be­ steht. In der Regel genügt die Anzeige der Nebentätigkeit, wobei diese Anzeige keinen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt und daher von Be­ schäftigten hinzunehmen ist. Die Versagung einer Nebentä­ tigkeit stellt jedoch einen mas­ siven Eingriff in das Grundrecht auf Berufsfreiheit dar und darf daher nicht grundlos erfolgen. Urteile des Monats Leasingfalle Dienstfahrrad Leasingraten für ein Dienstrad dürfen nach Ablauf der Entgeltfortzahlung nicht auf den arbeitsunfähigen Arbeitnehmer abgewälzt werden. Das hat das Arbeits­ gericht Osnabrück in einem Urteil vom 13. November 2019 (Aktenzeichen 3 Ca 229/19) festgestellt. Die Beklagte erhielt von ihrem Arbeitgeber, dem Kläger, zwei Diensträder für sich und ihren Ehemann für 36 Monate ge­ stellt. Sie verzichtete dafür auf einen Teil ihres Entgelts in Höhe der Leasingraten. Kläger, Be­ klagte und Leasinggeber schlos­ sen hierüber einen Vertrag, wo­ nach der Arbeitgeber berechtigt war, das Dienstrad bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder für Zeiträume ohne Entgeltbe­ zug zurückzufordern. Macht er hiervon keinen Gebrauch, war die Arbeitnehmerin für die Dau­ er der Unterbrechung verpflich­ tet, die Leasingraten zu entrich­ ten. Die Beklagte erkrankte längerfristig und erhielt nach Ablauf der sechs Wochen Ent­ geltfortzahlung Krankengeld. Da der Arbeitgeber kein Entgelt mehr einbehalten konnte, ver­ langte er von ihr, die Leasing­ raten zu übernehmen. Als die Beklagte sich weigerte, erhob der Arbeitgeber Klage auf Zah­ lung der Leasingraten. Das Ar­ beitsgericht Osnabrück wies die Klage ab. Die Richter waren der Auffas­ sung, dass die Vertragsklausel aus mehreren Gründen unwirk­ sam sei. Zum einen sei sie zu in­ transparent, da der Arbeitneh­ merin nicht hinreichend deutlich gemacht wurde, dass sie bei Wegfall ihrer Vergütung für die Leasingraten aufkommen muss. Zum anderen stellt die Vertrags­ klausel nach Ansicht des Ge­ richts für die Beklagte eine un­ angemessene Benachteiligung dar. Die Rückforderung der Fahr­ räder durch den Arbeitgeber nach Ablauf des Sechs-Wochen- Entgeltfortzahlungszeitraums sei zwar mit dem Entgeltfort­ zahlungsgesetz noch vereinbar. Die Beklagte musste aber nicht damit rechnen, in diesem Fall die Kosten für die Leasingraten zu übernehmen. Verlangen Arbeitgeber nach Ablauf der Entgeltfortzahlung von sechs Wochen das Leasing­ rad von den Arbeitnehmenden nicht zurück, haben sie nicht automatisch einen Anspruch auf Zahlung der Leasingkosten durch die Beschäftigten. Ein Ab­ wälzen des Unternehmerrisikos auf erkrankte Arbeitnehmende ist unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. urteile des monats Model Foto: Colourbox.de Model Foto: Colourbox.de 35 dbb > dbb magazin | November 2020

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