dbb magazin 3/2021

gesundheitspolitik . Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung Ich werde meine Vorschläge weiterhin aktiv in die Pflegereform einbringen 1 Kritiker behaupten, die Leistungsverbesserungen im Zuge der geplanten Reform seien lediglich eine Aus- weitung des Umlageverfahrens und es fehle die Nachhaltigkeit. Halten Sie beispielsweise die Deckelung der pflegebezogenen Eigenbeträge in der stationären Pflege für alternativlos? Andreas Westerfellhaus Die Eigenanteile der Bewohner von stationären Einrichtungen sind in den letzten Jahren ge­ stiegen, weil in den Pflege­ einrichtungen richtigerweise mehr Geld für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingun­ gen ausgegeben wird. Mittler­ weile beträgt allein der pflege­ bedingte Anteil im Schnitt 830 Euro – mit Unterkunft, Verpfle­ gung und Investitionskosten belaufen sich die Eigenanteile im Schnitt auf über 2000 Euro pro Monat. Das können sich immer weniger Menschen leis­ ten, ohne irgendwann Sozial­ hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Deshalb ist es richtig, die pflegebedingten Eigenan­ teile zu deckeln. Steigende Kos­ ten für höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen würden so nicht mehr vollstän­ dig auf die Heimbewohner um­ gelegt, stattdessen kann jeder sein Risiko der maximal zu tra­ genden Pflegekosten im Falle vollstationärer Pflege erstmals durch eine private Vorsorge vollständig absichern, unter­ stützt durch eine erhöhte staatliche Zulagenförderung. Dieser sogenannte Sockel-­ Spitze-Tausch ist ein mutiger Schritt zum Schutz von Pflege­ bedürftigen und ein wichtiges Signal, dass Verbesserungen in der Pflege von der Solidarge­ meinschaft bezahlt werden und nicht allein von den Be­ troffenen. Allerdings sollte der Sockel so gesetzt werden, dass Pflegebedürftige in allen Bun­ desländern davon profitieren – das sehe ich bei den derzeit zur Diskussion stehenden 700 Euro/Monat nicht. Zum Thema Nachhaltigkeit: Damit die Bei­ tragssätze in der Pflegeversi­ cherung nicht ungebremst steigen und wir damit die im Koalitionsvertrag vereinbarte Marke von 40 Prozent reißen, brauchen wir Steuerzuschüsse, so wie sie auch in anderen Sozialversicherungszweigen längst üblich sind. Und die Pflegeversicherung sollte von versicherungsfremden Leis­ tungen wie etwa Rentenbei­ tragszahlungen für pflegende Angehörige oder medizinische Behandlungspflege und auch der Ausbildungsumlage ent­ lastet werden. 2 Abgesehen von der tur- nusmäßigen Anhebung der ambulanten Leistun- gen und der künftigen Dynami- sierung, halten Sie eine Ober- grenze auch für ambulante Eigenleistungen für erforder- lich? Anders als in der stationären Pflege gibt es in der häuslichen Pflege ja keine automatische Vollversorgung, sondern der Pflegebedürftige organisiert sein Pflegesetting selbst – die meisten übrigens durch pfle­ gende Angehörige mithilfe des Pflegegeldes. Eine Deckelung der Eigenanteile würde nur dann Sinn machen, wenn man das Wunsch- und Wahlrecht aufgibt und den Pflegebedarf nicht mehr individuell-subjek­ tiv, sondern pauschalisierend- objektiv bemisst. Einige fordern das, ich bin aber nicht sicher, ob man sich auf ein Bemessungs­ verfahren einigen könnte, dass ausreichend sozial ausgewogen und im Einzelfall gerecht wäre. Ich glaube ebenso wenig, dass damit die Selbstbestimmung gestärkt würde. Abgesehen da­ von bin ich aber der Meinung, dass sowohl in der stationären wie auch in der ambulanten Pflege den Pflegebedürftigen die Investitionskosten für die Pflegeinfrastruktur nicht länger aufgebürdet werden sollten. Laut Gesetz haben die Bundes­ länder die Kostenverantwor­ tung für den Bau und die Sanie­ rung von Pflegeeinrichtungen und sollten sie endlich intensi­ ver wahrnehmen. 3 Sie hatten vor einiger Zeit einen eigenen Vor- schlag für ein Pflege- und Entlastungsbudget gemacht, den auch der dbb unterstützt hat. Sehen Sie Ihre Vorstellun- gen in den Planungen des Bun- desgesundheitsministeriums ausreichend berücksichtigt? Die Leistungen der Pflegever­ sicherung müssen sich den Be­ darfen der Pflegebedürftigen anpassen – nicht umgekehrt! Ich habe deshalb mit meinem Papier „Entlastungsbudget 2.0“ ??? drei fragen an ... < Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, ist Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium. © Holger Gross 32 dbb > dbb magazin | März 2021

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