dbb magazin 3/2021
Urteil des Monats urteil des monats Bei Fahrtzeiten sticht Tarifvertrag Betriebsvereinbarung Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Grundsatzentschei dung klargestellt, dass Regelun gen in einer Betriebsvereinba rung, welche die vergütungs- pflichtigen Fahrzeiten eines Au ßendienstmitarbeiters verkür zen, wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unwirksam sind, wenn die betreffenden Zeiten nach den Bestimmungen des einschlä gigen Tarifvertrags uneinge schränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen sind (BAG, Urteil vom 18. März 2020, Az.: 5 AZR 36/19). Der Kläger ist als Servicetech niker im Außendienst bei dem beklagten Unternehmen be schäftigt. Auf das Arbeitsver hältnis der Parteien finden die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel Niedersachsen Anwendung. Im Rahmen seiner Außendiensttätigkeit fährt der Kläger von seiner Wohnung zur ersten Kundschaft und kehrt von der letzten Kundschaft wie der dorthin zurück. Nach einer bei der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarung zur fle xiblen Arbeitszeit zählen die Anfahrtszeiten zur ersten und die Abfahrtszeiten von der letzten Kundschaft nicht zur Arbeitszeit, wenn sie 20 Minu ten nicht überschreiten. Aus schließlich die 20 Minuten übersteigende Fahrtzeit zählt laut der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Der Kläger ist jedoch der Auffassung, dass sämtliche Fahrten zu und von der Kundschaft Bestandteil seiner vertraglichen Haupt leistungspflicht und daher uneingeschränkt vergütungs pflichtig sind. Anders als die Vorinstanzen entschied das BAG zugunsten des Klägers. Bei den Fahrtzeiten des Klägers handele es sich um vergütungspflichtige Arbeits zeit. Die Regelung der Betriebs vereinbarung sei wegen Ver stoßes gegen den Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam, so das Gericht. Auf grund des Tarifvorrangs können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Be triebsvereinbarung sein. Es sei denn, der einschlägige Tarifver trag ist mit einer sogenannten Öffnungsklausel versehen, die den Abschluss ergänzender Be triebsvereinbarungen ausdrück lich zulässt. Durch die Sperrwir kung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG solle verhindert werden, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien ange nommen haben, konkurrierend in Betriebsvereinbarungen ge regelt werden. Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass die Fahrtzeiten des Klägers von und zu der Kundschaft nach den Regelungen des einschlägi gen Tarifvertrags ausnahmslos vergütungspflichtig sind. Model Foto: Colourbox.de 39 > dbb magazin | März 2021
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