dbb magazin 4/2021

brennpunkt Kette dann ausbaden und die Kritik der Bevölkerung einste­ cken müssen.“ Stattdessen sei vor Ort eine gute und fachliche Einarbei­ tung von Kolleginnen und Kol­ legen in der Nachverfolgung wichtig, bekräftigt Christian Schmitz, einer von fünf Ge­ sundheitsaufsehern im Ge­ sundheitsamt Mönchenglad­ bach: „Ich war von der ersten Minute an in der Corona-Pan­ demie aktiv und hatte direkt mit dem ersten Corona-Fall in unserer Kommune zu tun, der am 26. Februar 2020 aufgetre­ ten war. Seitdem habe ich ar­ beitstechnisch alles mit durch­ gemacht, vom Faxen bis zur neuen Nachverfolgungssoft­ ware SORMAS.“ Wenn die Be­ schäftigten aber zum Beispiel als Überbringer der Botschaft, dass jemand an Corona er­ krankt ist, in der Pflicht seien, gehe es nicht um Technik, son­ dern um Einfühlungsvermö­ gen. „Das lernt man eben nicht aus einer Corona-Verordnung, zumal wir von denen im ver­ gangenen Jahr rund 50 hat­ ten.“ Allen Widrigkeiten zum Trotz hätten alle „eine saubere, verantwortungsvolle und ver­ nünftige Arbeit abgeliefert“, sagt Schmitz. Das werde aller­ dings nicht so anerkannt, wie man sich das wünschen würde. „Die Gesundheitsämter leisten viel Arbeit, die man von außen so gar nicht wahrnimmt.“ < Digitalisierung ist kein Wundermittel Mit Blick auf die Digitalisierung im ÖGD wünschen sich alle am Gespräch Beteiligten Verbesse­ rungen, insbesondere bei der für die Pandemiebekämpfung so wichtigen Nachverfolgung von Kontakten. „Wir müssen von dem Inzidenzwert runter, denn wir wollen nicht, dass sich die Lage in den Kranken­ häusern wieder verschärft.“ Dazu müsse vor allem die Kon­ taktnachverfolgung optimiert werden. „Für uns löst die neue Software SORMAS die Proble­ me der Gesundheitsverwal­ tung allerdings nicht“, sagt Laumen. Einerseits dauere die Eingabe eines einzigen Kon­ taktes mit bis zu 16 erforder­ lichen Eingaben des Namens in SORMAS wesentlich länger als über die bisher und weiter parallel genutzte Software „SurvNet“. Trotzdem sei SORMAS eine gute Plattform mit vielen anderen Vorteilen. „Lediglich den Betatest quasi in einer Pandemie zu machen, halten wir für ebenso proble­ matisch wie Vorgaben, funktio­ nierende Softwaresysteme ein­ fach durch neue zu ersetzen“, pflichtet Andreas Hemsing, Bundesvorsitzender der komba gewerkschaft und stellvertre­ tender Vorsitzender der dbb Bundestarifkommission, bei. Weiterhin sei Digitalisierung eben nicht das Zauberwort, mit dem alles gut werde, er­ klärt Laumen weiter. „Digitali­ sierung darf zum Beispiel nicht als Vorwand für Personalabbau missbraucht werden.“ „Digitialisierung muss ganz klar entlastend wirken“, sagt auch Wolfgang Ditz, „sie spart keine Personalkosten. Wir wünschen uns zum Beispiel mehr mobile Technik für den täglichen Ein­ satz, die uns Dokumentations­ aufwand spart und keine neu­ en Belastungen schafft.“ Auf der anderen Seite wäre eine App für die Bevölkerung gut, die Kontakte zehn Tage zurück­ verfolgen könne. „Die Corona- Warn-App hingegen hat uns gar nichts gebracht.“ < Tarifliches Zulagen­ system gefordert Was die Vergütung von Mehr­ arbeit in Form von Prämien und Zulagen betrifft, fiel die Forderung des dbb nach der Einführung einer tarifrechtlich verankerten Zulage auf frucht­ baren Boden. Sie soll Fachkräf­ ten gewährt werden, die bei der Bewältigung des Pande­ miegeschehens besonders be­ lastet sind. „Im öffentlichen Dienst sollte Leistung prin­ zipiell anerkannt werden. Mit Ad-hoc-Diskussionen um Sonderprämien für einzelne Berufsgruppen ist den von Mehrarbeit und erhöhtem Infektionsrisiko im Dienst betroffenen Kolleginnen und Kollegen nicht nachhaltig ge­ holfen“, begründet dbb Chef Ulrich Silberbach den Vorstoß. „Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, statt einmali- ger Prämien eine Zulage im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) zu schaffen“, skizziert komba Chef Andreas Hemsing den möglichen Rah­ men einer Erschwerniszulage, mit der adäquat auf Sonder­ belastungen unter außerge­ wöhnlichen Umständen wie während der derzeitigen Pan­ demie reagiert werden könnte. „Gleichzeitig würde so auch die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes erhöht.“ Die Zulage dürfe nicht nur für fachspezifisches Personal des öffentlichen Gesundheits­ dienstes gelten, sondern auch für Beschäftigte, die aus an­ deren Bereichen des öffentli­ chen Dienstes zur Pandemie­ bekämpfung abgeordnet werden, oder deren berufliches Umfeld durch die Pandemie besonders betroffen sei, wenn es in den Zuständigkeitsbe­ reich des TVöD falle. Im Dialog mit den Beschäftigten des Ge­ sundheitsamtes Mönchenglad­ bach sprachen sich Silberbach und Hemsing weiter dafür aus, das Fachpersonal administrativ zu entlasten. So sollte zum Beispiel der hohe Dokumentationsauf­ wand durch zusätzliches Ver­ waltungspersonal geschultert und durch unkomplizierte digi­ tale Unterstützung erleichtert werden. Silberbach und Hem­ sing bekräftigten, dass die Vor­ schläge auch in den Ländern diskutiert werden sollten, um eine mögliche Ergänzung des TVöD in das jeweilige Landes­ tarifrecht zu überführen. br/cri/krz © Stadt Mönchengladbach 10 dbb > dbb magazin | April 2021

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