dbb magazin 4/2021
zur sache Corona-Apps Viel Datenschutz = wenig Wirksamkeit? Die Corona-Warn-App des Bundes wird gerne dafür kritisiert, dass sie auf grund hoher Daten schutzstandards wenig Wirksamkeit entfaltet. Stimmt das und machen es andere Apps besser? Dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Infor mationsfreiheit Rheinland- Pfalz, Prof. Dr. Dieter Kugel mann, und Maja Smoltczyk, der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informati onsfreiheit, scheint der Kragen geplatzt zu sein. In einem offe nen Brief kritisieren sie die nicht verstummen wollenden Rufe nach Lockerungen des Da tenschutzes zur Pandemiebe kämpfung scharf. Unter ande rem führen sie an, dass dabei nicht problematisiert werde, dass „die Gesundheitsämter noch immer nicht alle an die digitale Infrastruktur ange schlossen sind, die jedoch Vor aussetzung dafür ist, dass die Corona-App einen wirklichen Mehrwert für die Ämter hat“. Die Ämter seien bereits mit den Daten von Corona-Kon taktlisten überfordert, wäh rend eifrig gefordert werde, die App solle noch mehr Daten sammeln. Weiter werde in der Diskussion außer Acht gelas sen, dass „kaum ein kommer zieller Anbieter datenschutz gerechte Lösungen anbietet und Behörden nicht in der Lage sind, solche Lösungen selbst zu schaffen oder es nicht zuwege bringen, entsprechende Lösun gen in Ausschreibungen einzu fordern“. Nach Überzeugung der beiden Datenschützer steht der Da tenschutz gesellschaftlichen Herausforderungen nicht im Wege: „Die Corona-Warn-App wurde in Deutschland mehr als 25 Millionen Mal heruntergela den und hat nur deshalb eine so hohe Akzeptanz in der Be völkerung gefunden, weil die Menschen sich darauf verlas sen können, dass ihre Daten nicht zu unvorhersehbaren Zwecken missbraucht werden.“ Zudem könne die App daten schutzgerecht fortentwickelt werden. Ihr sei in Deutschland eine Verbreitung gelungen, die eine wesentliche Vorausset zung zum Erreichen der Ziele der Corona-Warn-App sei. Dass klingt zwar, als würde der „Schwarze Peter“ an den öffentlichen Gesundheits dienst weitergereicht. Dass die Kritik jedoch durchaus berech tigt ist, hat das dbb Gespräch mit Beschäftigten des Gesund heitsamtes Mönchengladbach (ab Seite 8 in dieser Ausgabe) bestätigt: Ämter und Behör den haben sich nicht zuletzt an politische Vorgaben zu halten, was den Umgang mit der Pan demie nicht immer erleichtert hat. Aber machen andere, pri vatwirtschaftlich entwickelte Apps zur Kontaktverfolgung den Job besser? < Sicherheitslücken auch bei „Luca“ Wellen geschlagen hat die neue App „Luca“, die bekannt wurde, weil der deutsche Alt- Rapper Smudo die Werbetrom mel dafür rührt. Die Idee da hinter ist, dass Nutzerinnen und Nutzer beim Betreten ei nes Geschäfts oder Lokals ei nen QR-Code scannen und eine Benachrichtigung erhalten, wenn eine andere Person, die die App ebenfalls nutzt, später positiv auf COVID-19 getestet wurde und im selben Laden war. Sicherheitsexpertinnen und -experten finden aber auch hier bereits Sicherheits lücken in der Architektur der App und in der Verschlüsselung der Datenübertragung. Nach einem Bericht von „Zeit online“ vom 12. März 2021 sollen sie sogar gravierender sein als die Datenschutzbedenken, die die offizielle Corona-Warn-App in die Kritik brachten. Dennoch will Mecklenburg- Vorpommern als erstes Bun desland offiziell auf Luca set zen. Darüber hinaus gibt es bereits Überlegungen, Luca in die Corona-Warn-App zu integrieren. Der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, der heute Vorsitzender der Euro päischen Akademie für Infor mationsfreiheit und Daten schutz (EAID) ist, sieht das kritisch: „Die Corona-Warn-App registriert und bewertet Kon takte automatisch ohne unser Zutun. Die anonym erfassten Daten sind viel umfangreicher als beispielsweise in der Luca- App“, sagt er. „Wenn man nun eine anonyme mit einer perso nalisierten Lösung kombiniert, besteht die Gefahr der Dean onymisierung dieser Daten“, sagte Schaar der „Zeit“. < Ohne Vertrauen droht Kontrollverlust Was nun? Eine allgemeingültige Lösung, die Datenschützer, Pan demiebekämpfer und kommer zielle Anbieter gleichermaßen zufriedenstellen könnte, dürfte es kaum geben. Letztlich liegt es in den Händen der Verbrau cherinnen und Verbraucher, zwischen Gesundheitsschutz, Datenschutz und kommerziel len Interessen abzuwägen und zu prüfen, wem sie einen siche ren Umgang mit ihren Daten zutrauen. Das ist kein leichtes Unterfangen, zumal die meis ten Bürgerinnen und Bürger weder IT-Spezialisten noch Da tenschutzexperten sind. Damit bleibt letztlich nur die Einsicht von Kugelmann und Smoltczyk, dass ein angemes sener Datenschutz dem Virus nicht zum Opfer fallen darf. „Wir müssen den Datenschutz mit Vertrauen impfen und ihn vor haltlosen Attacken schüt zen“, heißt es in dem offenen Brief. „Der Datenschutz ist kein Verhinderer, sondern ein wich tiger Regulator und Steue rungsfaktor. Menschen lassen sich auf neue Technologien eher ein, wenn sie Vertrauen haben, dass ihre Rechte und Freiheiten gewahrt bleiben. Droht die Gefahr eines infor mationellen Kontrollverlustes, neigen Menschen dazu, sich ins Private zurückziehen oder Falschangaben zu machen.“ br © cottonbro/Pexels.com 33 dbb > dbb magazin | April 2021
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