dbb magazin 4/2021

interview und bis Ende nächsten Jahres wird es einige Verbesserungen geben. Dazu gehören zusätz­ liche Verdichterzüge unter anderem auf der RE1-Strecke zwischen Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder), beim RE2 in der Hauptver­ kehrszeit zwischen Berlin und Lübbenau, beim RE7 zwischen Bad Belzig und Berlin-Wann­ see. Zusätzliche Verbindungen gibt es zwischen Potsdam und Berlin-Spandau, Oranienburg, Lichtenberg, zwischen dem Flughafen BER und Ludwigs­ felde sowie Finsterwalde und Berlin. Außerdem werden wir den Aus- und Neubau von Stellplätzen für Autos und Fahrräder gemeinsammit Berlin vorantreiben, um den Zugang zum Schienenverkehr zu erleichtern. Zusätzlich küm­ mern wir uns um die Neuaus­ schreibung von vier Regional­ netzen sowie bei der S-Bahn. In der Ausschreibung für die Heidekrautbahn sowie im Netz Ostbrandenburg wollen wir den Einsatz von Wasser­ stoffantrieben befördern. Und aus Landesmitteln werden zu­ sätzliche PlusBus-Linien finan­ ziert. Sie sind in der Fläche ein sehr wichtiger Faktor. Der Ballungsraum Potsdam/ Berlin umfasst 15 Prozent der Fläche Brandenburgs. Dort lebt die Hälfte der Bevölkerung. Auf den verbleibenden 85 Pro- zent des Landes zeigen sich die Auswirkungen des demografi- schen Wandels in besonderem Ausmaß. Mit welchen Mitteln wollen Sie verhindern, dass diese Regionen den Anschluss verlieren? Ich bin optimistischer als Sie – auch weil Brandenburg Zu­ wachs hat. Es gibt ja Leute wie Professor Gropp, die sagen, man solle nur noch Zentren fördern. Das ist grober Unfug. Wir müssen in die Fläche. Ich höre viel über neue Entwick­ lungen, Projekte und Anstöße, gerade im ländlichen Raum. Berlin und das direkte Umland üben eine große Anziehungs­ kraft aus. Darüber freuen wir uns. Aber auch die ländlichen Regionen und die Städte der sogenannten „zweiten Reihe“ wie Eberswalde oder Branden­ burg an der Havel verzeichnen ein wachsendes Interesse von Menschen, die Land und Me­ tropole verbinden wollen. Die Landesregierung hat diesen Trend erkannt und fördert ihn seit Jahren. Wir unterstützen Rückkehrer- und Zuzugsinitia­ tiven, deren Zahl kontinuier­ lich steigt. Sie versorgen die Menschen, die nach Branden­ burg zurückkehren oder hier­ herziehen wollen, mit Infor­ mationen und helfen, die richtigen Ansprechpartner zu finden. Wie Corona uns allen zeigt, geht vieles auch ohne Anwe­ senheit am Arbeitsplatz. Es gilt, aus diesen Erfahrungen zu lernen und offen zu sein für neue Möglichkeiten des Arbei­ tens. Es wird heute für viele immer wichtiger, ob sich Ar­ beit und die Vorstellung vom Leben miteinander verbinden lassen. Die Idee von gutem Leben heißt für viele jüngere Menschen heute auch Leben auf dem Land, im Grünen, ohne den Stress, die Hektik und den Lärm einer Stadt. Das ist eine Chance für Bran­ denburg. Wichtig ist dabei, dass alle je­ derzeit und ohne große Proble­ me Zugang zu den wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge haben. Das ist im flächenmä­ ßig fünftgrößten Bundesland eine Herausforderung, der wir uns gestellt haben und stellen. Dazu gehört die Förderung der regionalen Wachstumskerne als starke Anker in den Regio­ nen. Wir haben zudem auf die Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsachsen quer durch Brandenburg gesetzt. Beides zusammen versetzt uns in die Lage, uns besser um eine Entwicklung aller Regio­ nen in Brandenburg zu küm­ mern. Ziel ist, dass Bildung, Einkaufsmöglichkeiten, medizi­ nische Versorgung, Kultur und alles, was die Brandenburge­ rinnen und Brandenburger sonst für ein gutes Leben brau­ chen, überall erreichbar ist. Die Bayerische Landesregie- rung verlegt Verwaltungsein- heiten wie das Gesundheitsmi- nisterium weg aus München in Regionalzentren. Brandenburg hat von einer Verlegung des Wissenschaftsministeriums nach Cottbus Abstand genom- men. Was spricht aus Ihrer Sicht gegen die Ansiedlung von Ministerien in der „Lan- desprovinz“ und was dafür? Die Landesregierung will eine nachhaltige Entwicklung des gesamten Landes voranbrin­ gen. Dazu gehören auch hoch qualifizierte Arbeitsplätze in den Behörden. Wir prüfen bei Standortentscheidungen stets, welchen Nutzen das für die Region bringen kann. Ob dies dann ein Ministerium sein muss, ist eine andere Frage. Mit einem ziellosen Umzugs­ aktionismus ist niemandem geholfen. Wir nehmen in je­ dem Fall die Interessen der Be­ schäftigten ernst und wägen behutsam ab. Insgesamt ist die Landesverwaltung bereits gut in der Fläche vertreten. Mit dem Lausitzbeauftragten habe ich bereits selbst eine Außenstelle der Staatskanzlei in Cottbus eröffnet. Ebers­ walde wird mit dem Landes­ forstbetrieb gestärkt. Auch haben wir uns erfolgreich für die Ansiedlung von Bundes­ einrichtungen eingesetzt. Die Eröffnung des Bundesamtes für Auswärtige Angelegen­ heiten in Brandenburg an der Havel Anfang 2021 ist hierfür nur ein Beispiel. Hier wird bis 2025 mit bis zu 1000 Arbeitsplätzen gerechnet. Und die Lausitz darf sich auch über zahlreiche neue Behörden­ arbeitsplätze in den nächsten Jahren freuen. Nach dem Kohleausstieg soll die Lausitz eine europäische Modellregion für den Struktur- wandel werden. Rund 180000 Arbeitsplätze sind seit der Wende bereits weggefallen, während nur wenig neue ent- standen sind. Bis zum Kohle- ausstieg 2038 werden auch die letzten 8 000 Industriearbeiter entlassen. Bergleute und In- dustriearbeiter werden aber nicht über Nacht zu Forschern und Digitalisierungsspezialis- ten. Welche Beschäftigungs- transformationen bietet das „Lausitzprogramm 2038“? Die Zeit nach der Wende ist noch immer in vielen Lausitzer Köpfen und Herzen präsent. Der Strukturbruch der 90er- Jahre darf so nie wieder pas­ sieren. Aus diesem Grund haben wir das Strukturstär­ kungsgesetz durchgesetzt, das den Entwicklungsprozess finanziell absichert und die Ziele der Strukturentwicklung beschreibt. Gleichzeitig ist es uns gelungen, konkrete Pro­ jekte in diesem Gesetz als Leuchttürme zu initiieren, wodurch auch Industriear­ beitsplätze entstehen. Dazu gehört der Ausbau unseres Fahrzeuginstandhaltungs­ werks Cottbus zummoderns­ ten Bahnwerk der DB mit bis zu 1200 neuen Industriear­ beitsplätzen und Ausbildungs­ plätzen. Ein weiterer Bereich ist die Gesundheitswirtschaft mit der Universitätsmedizin Cottbus. Kurz: Es werden Me­ chaniker und Elektroniker, wie sie derzeit in den Anlagenpro­ zessen der Energie- und Berg­ bauindustrie beschäftigt sind, genauso gebraucht, wie junge Mediziner und Forscher. Dane­ ben ist den Sozialpartnern die Verabredung gelungen, dass kein „Kumpel in das Bergfreie fällt“. Die Botschaft heißt da­ mit nicht, wohin mit den Berg- und Energiearbeitern, sondern vielmehr: Wie bekommen wir künftig fehlende Fachkräfte in unsere Lausitz! Und da setzen wir mit einem Infrastruktur­ programm an, das die Metro­ polen Berlin, Cottbus, Leipzig und Dresden schneller auf Straße und Schiene verbindet. Und auch die touristischen Highlights wie Spreewald und Lausitzer Seenland werden Arbeitsplätze schaffen. 5 dbb > dbb magazin | April 2021

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==