dbb magazin 5/2021
europa < Webtipp Das vollständige Interview online in den aktuellen dbb europathemen: https://bit.ly/3v2pnEi Deutschland sollte schwerpunktmäßig in den digitalen Wandel investieren Was genau ist das Europäische Semester? Hesse: Das Europäische Semes ter bildet den Rahmen für die Koordinierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik in der EU. Im Jahresverlauf beraten die EU-Länder über ihre aktuellen Wirtschafts- und Haushalts pläne und überprüfen zu bestimmten Terminen ihre Fortschritte mit dem Ziel, wirtschaftliche Konvergenz zu fördern und solide öffent liche Finanzen zu gewähren. Kaufmann: Darüber hinaus begleitet das Semester den ökologischen und digitalen Wandel unserer Gesellschaf- ten und Wirtschaftssysteme. In seinemMittelpunkt stehen die vier Prioritäten von ökolo gischer Nachhaltigkeit, Produk tivität, Gerechtigkeit und ma kroökonomischer Stabilität. Welche Art Reformen soll es bewirken? Kaufmann: Die Reformemp fehlungen im Rahmen des Eu ropäischen Semesters zielen drauf ab, übermäßige makro ökonomische Ungleichgewich te und Staatsverschuldung zu vermeiden, Investitionen zu fördern und Arbeitsplätze zu sichern. Die Empfehlungen sind maßgeschneidert an die Verhältnisse der einzelnen Mitgliedstaaten angepasst und sprechen ihre länderspezi fischen strukturellen Heraus forderungen in Bereichen wie Arbeit und Soziales, Gesund heit, Digitalisierung, nachhal tiges Wachstum, Abbau von Investitionshemmnissen, sta bile öffentliche Finanzen und wirtschaftliche Rahmenbedin gungen an. Die in den länder spezifischen Empfehlungen des Rates dargelegten Reform prioritäten sollen sich auch in den Aufbau- und Resilienzplä nen der Mitgliedstaaten wie derfinden. Was ist Ihre Aufgabe? Hesse: Wir sind Berater für das Europäische Semester in der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland. Mit dem neu en Wiederaufbauinstrument „Next Generation EU“ und sei ner engen Verbindung zum Eu ropäischen Semester ist unsere Hauptaufgabe, die Arbeit zur Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität in Deutsch land zu unterstützen. Konkret: Wir arbeiten eng mit den deut schen Behörden bei der Vorbe reitung des deutschen Aufbau- und Resilienzplans zusammen und werden später die Umset zung des Planes im Einklang mit den vereinbarten Meilen steinen und Zielen begleiten und unterstützen. Zu diesem Zweck stehen wir im engen Kontakt mit der Bundesregie rung, Sozialpartnern und ande ren wichtigen Stakeholdern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, auch dem dbb. Warum gibt es in diesem Jahr kein „normales“ Europäisches Semester? Kaufmann: Mit der Einigung auf die Aufbau- und Resilienz fazilität musste das Europäische Semester vorübergehend ange passt werden, da sich der zeitli che Ablauf des Semesters im Jahr 2021 mit der Umsetzung der Fazilität überschneidet. Die EU-Mitgliedstaaten werden dieses Jahr ihre nationalen Re formprogramme im Rahmen des Semesters zusammen mit den Aufbau- und Resilienzplä nen vorlegen. Diese Pläne stel len eine Übersicht der Refor men und Investitionen dar, die die EU-Länder im Einklang mit den Zielen der Fazilität vorneh men werden. Die Kommission wird die Pläne inhaltlich bewer ten; die Veröffentlichung dieser Bewertungen ersetzt die Län derberichte des Europäischen Semesters 2021. Alle Mitglied staaten, die Aufbau- und Resi lienzpläne vorgelegt haben, werden 2021 keine strukturel len länderspezifischen Empfeh lungen erhalten. Hesse: Die Kommission wird die Gefahr makroökonomischer Ungleichgewichte auch im neu en Semesterzyklus kontinuier lich beobachten und bewerten und dabei den Schwerpunkt auf sich infolge der Corona-Krise neu abzeichnende Risiken legen. Wo sieht die Kommission den größten Reformbedarf in Deutschland? Kaufmann: In den länderspe zifischen Empfehlungen von 2020 wurde Deutschland emp fohlen, schwerpunktmäßig in den ökologischen und digitalen Wandel zu investieren, insbe sondere in nachhaltigen Ver kehr, saubere, effiziente und integrierte Energiesysteme, digitale Infrastruktur und Kom petenzen, Wohnungsbau, Bil dung sowie Forschung und In novation. Außerdem sollen die digitalen Verwaltungsleistun gen auf allen Ebenen verbessert und die Digitalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen ge fördert sowie der Verwaltungs- und Bürokratieaufwand für Un ternehmen verringert werden. Die Resilienz des Gesundheits systems soll unter anderem durch den Einsatz elektroni scher Gesundheitsdienste gestärkt werden. ? nachgefragt bei ... ... bei den EU-Wirtschaftsberatern Nora Hesse und Thomas Kaufmann < Nora Hesse und Thomas Kaufmann sind ein wichtiges Bindeglied zwi schen der Kommission und den zuständigen Ministerien der Bundesre gierung. Ein wichtiger Schwerpunkt ihrer Arbeit betrifft das Europäische Semester, den jährlichen Zyklus der wirtschaftspolitischen Koordinierung. © Privat (2) 34 dbb > dbb magazin | Mai 2021
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