dbb magazin 6/2021

forum dbb magazin „Welche Reform von Staat und Verwaltung steht oben auf Ihrer Agenda, wenn Ihre Partei der nächsten Bundesregierung angehören würde?“ ? eine frage an ... ... Vertreterinnen und Vertreter der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen © Michael Kienzler © Privat © Privat © Stefan Kaminsk/ Bündnis 90/ Die Grünen Bundestagsfraktion © Tjark Thönßen Thorsten Frei, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion Die Pande­ mie stellt Deutsch­ land vor enorme Herausfor­ derungen – mensch­ lich, finan­ ziell und organisa­ torisch. Vieles läuft gut. Und doch: Wir müssen wichtige Lehren aus der Krise ziehen und Veränderungen anstoßen. Erstens: Strukturen, Ebenen, Institutionen und Verantwort­ lichkeiten innerhalb unseres Staates modernisieren. Was ist doppelt? Was kann weg? Was brauchen wir neu? Zweitens: Verwaltungshandeln für die digitale Welt des 21. Jahrhun­ derts benötigt ein Update. Planungs- und Genehmigungs­ verfahren müssen entschlackt und dann beschleunigt wer­ den. Drittens: die öffentliche Verwaltung umfassend digita­ lisieren. Viertens: den Bevölke­ rungsschutz zwischen Bund und Ländern besser verknüp­ fen und insgesamt modernisie­ ren. Die nächste große Krise wird kommen, sei es ein Cyber­ angriff, eine Überschwem­ mung oder eine weitere Pan­ demie. Wir sollten vorbreitet sein. Ute Vogt, Innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Die wichtigste Herausforde­ rung: Der öffentliche Dienst muss neue und stärkere An­ ziehungskraft entwickeln. Die Konkurrenz ist groß und die Gehälter in der freien Wirtschaft sind meist deutlich attraktiver. Die SPD will, dass der öffent­ liche Dienst der Zukunft mit flexiblen Arbeitszeitmodel­ len punktet und moderne Arbeitsplätze bietet. Das be­ deutet einen Schub bei der Digitalisierung und einen Kulturwandel in den Amtsstu­ ben. Besoldungs- und Gehalts­ strukturen wollen wir nach oben öffnen. Individuell zu­ geschnittene Weiterbildungs- und Karriereplanung müssen selbstverständlich angeboten werden. Führungskräfte müs­ sen die Potenziale ihrer Mit­ arbeiter(innen) erkennen und neue Ansätze zulassen. Wir wollen mehr Selbstständigkeit fördern. Hier sehen wir die politischen Spitzen von Äm­ tern und Behörden in einer besonderen Verantwortung. Konstantin Kuhle, Innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion Wir Freie Demokra­ ten wollen durch eine umfassen­ de Föde­ ralismus- und Ver­ waltungs­ reform einen mo­ dernen und handlungsfähigen Staat schaffen. Die Corona-Kri­ se hat gezeigt, dass unklare Zuständigkeiten, eine erdrü­ ckende Bürokratie und digitale Defizite bei den Behörden schnelle und pragmatische Lösungen verhindern. Um das Megaprojekt der Verwaltungs­ modernisierung zu bewältigen, setzen wir auf eine agile Heran­ gehensweise, die arbeitsfähige Ergebnisse vor starren Strate­ gien priorisiert. Um Anreize für die digitale Transformation von Prozessen und Arbeitsweisen zu schaffen, sollen durch die Digitalisierung erreichte Ein­ sparungen („digitale Dividen­ de“) für Investitionen in der jeweiligen öffentlichen Stelle verbleiben. Wir wollen auch in Bildungs- und Sicherheits­ fragen die Kompetenzver­ teilung zwischen den staat­ lichen Ebenen neu regeln. Ulla Jelpke, Innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke Die Krise hat gezeigt, dass der Staat wie­ der hand­ lungsfähi­ ger werden muss. Dazu braucht es keine sym­ bolpoliti­ schen Strukturreformen, son­ dern eine bessere personelle Ausstattung auf allen Ebenen und die Rückabwicklung von Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die lange verschlafene Digita­ lisierung der öffentlichen Ver­ waltung bleibt die zentrale Aufgabe der kommenden Jah­ re. Statt sich weiter in Abhän­ gigkeit von großen IT-Unter­ nehmen und mittelmäßigen Beratungsgesellschaften zu begeben, muss die öffentliche Verwaltung endlich aus sich heraus größere Kompetenz bei Entwicklung, Planung und Steuerung von Digitalisie­ rungsprozessen entwickeln. Dazu gehört wesentlich, die Beschäftigten als Expertinnen und Experten der Verwaltungs­ arbeit stärker einzubeziehen und weiterzubilden. Irene Mihalic, Innenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen Wir müs­ sen den Fö­ deralismus deutlich effektiver gestalten und die Bund-Län­ der-Zusam­ menarbeit verbessern. Das Gemeinsame Terrorab­ wehrzentrum (GTAZ) ist immer noch ein uneingelöstes Ver­ sprechen. Das hat die Arbeit des Untersuchungsausschus­ ses zum Anschlag auf dem Ber­ liner Breitscheidplatz gezeigt. Wir wollen endlich eine recht­ liche Grundlage für das GTAZ und die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiens­ ten in Bund und Ländern ver­ bindlicher und besser machen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir auch beim Katastro­ phen- und Bevölkerungsschutz das Kirchturmdenken überwin­ den müssen. Dazu bedarf es einer entsprechenden Grund­ gesetzänderung. Auch die Fragmentierung bei der Beam­ tenbesoldung wollen wir been­ den im Sinne möglichst gleich­ wertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Wir brau­ chen hier endlich eine Bundes­ einheitlichkeit. 15 dbb > dbb magazin | Juni 2021

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