dbb magazin 6/2021

blickpunkt aus ihnen machen, denen nach einer gewissen Zeit auch ande­ re Aufgaben übertragen wer­ den können“, zeigte sich Wendt überzeugt. Der unbestritten nötige Support bei hochkom­ plizierten IT-Anwendungen wie etwa bei der Cybertechnik könne auch extern eingekauft werden. Kritik übte Wendt an den häufig starren Strukturen der Sicher­ heitsorgane: „Projektmanage­ ment können wir bei der Poli­ zei. Aber wenn wir die Projekte umsetzen sollen, dürfen wir nicht an Regulierungen schei­ tern. Überspitzt formuliert: Es darf nicht sein, dass wir jeden Kauf eines Radiergummis euro­ päisch ausschreiben müssen.“ < Digitalisierung mangel- haft bis ungenügend „Wenn ich den Stand der Digi­ talisierung bei der Polizei nach Schulnoten bewerten soll, wür­ de ich zwischen fünf und sechs schwanken“, fasste Dirk Preis, der dem örtlichen Personalrat beim Polizeipräsidium Offen­ burg und dem Hauptperso­ nalrat der Polizei im Landes­ innenministerium jeweils als stellvertretender Vorsitzender angehört, seine Erfahrungen aus dem Bereich Schutzpolizei zusammen. Der Polizeihaupt­ kommissar unterstützte die Anregung des dbb Bundesvor­ sitzenden, imWahljahr den Druck auf die Politik zu erhö­ hen: „Mir kommt es manchmal so vor, als ob unsere Politiker in einer Blase leben. Die müssen wir immer wieder anpieksen, damit sie in die Wirklichkeit zu­ rückfinden.“ Kritisch sah Preis die Effizienz bei der Nutzung der auf die Polizei angepassten iPhones: „Die jungen Polizistin­ nen und Polizisten kommen mit den Geräten gut klar, doch viele ältere haben Schwierig­ keiten. Hier besteht dringender Schulungsbedarf.“ „Wir wurden im letzten Früh­ jahr ins kalte Wasser geworfen“, erinnerte sich Berthold Kibler, Vorsitzender des Gesamtperso­ nalrats bei der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwennin­ gen, an die Folgen der Corona- Pandemie für den Lehrbetrieb. „Wir unterrichten seitdemmit der Lizenz eines Online-Mee­ ting-Anbieters und sind uns der Problematik äußerst bewusst, dass dessen Server nicht in Eu­ ropa stehen. Hinzu kommt, dass Polizei ein sehr praxisbezogener Beruf ist und man vieles nicht nur online und theoretisch un­ terrichten kann.“ Nach Auffas­ sung des Ersten Polizeihaupt­ kommissars spielen bei der Digitalisierung finanzielle Mit­ teln zwar eine nicht unerheb­ liche Rolle, doch sei ihr Erfolg nicht nur vom Geld abhängig: „Häufig fehlt es auch an quali­ fizierten Mitarbeitern. Wir wer­ den uns meiner Ansicht nach nicht länger darauf verlassen können, alles mit eigenen Kräf­ ten zu lösen. Wir brauchen zunehmend Informatiker und andere Fachkräfte, um die hochwertige Technik, in die die Hochschule kräftig inves­ tiert hat, auch zu bedienen und effektiv anzuwenden.“ < Fehlerhafte Technik gekauft Die Bündelung der Digitali­ sierungsaufgaben in einem ei­ genen Präsidium für Technik durch die letzte Polizeireform habe die Erwartungen nicht erfüllen können, so Kibler wei­ ter. „Wir tun uns durch das starre Gehaltssystem zudem schwer, die nötigen Fachleute an Land zu ziehen und zu hal­ ten. Aber wenn das nicht ge­ lingt, werden wir der digitalen Entwicklung immer weiter hin­ terherhecheln. Das Rad der Entwicklung dreht sich zuneh­ mend schneller, und wir kom­ men nicht mehr mit. Wir kön­ nen ja jetzt schon mit der Organisierten Kriminalität kaum noch Schritt halten.“ Es sei dringend notwendig, besonders die Kolleginnen und Kollegen im Streifendienst durch bessere technische Aus­ stattung zu schützen. „Mein Sohn erzählt, dass häufig mit privaten Handys fotografiert wird, wenn das Polizei-iPhone nicht funktioniert. Das ist eine tickende Zeitbombe, dass sich dienstliche Sachen auf Handys befinden, die hätten gelöscht werden müssen“, so Berthold Kiblers Befürchtung. Rolf Fauser aus dem Landes­ kriminalamt (LKA) in Stuttgart stehen für seine Aufgaben als Urkundensachverständiger und überregional anerkannter Experte für die Untersuchung und Authentifizierung von Do­ kumenten zwar zwei hochwer­ tige Digitalisierungsprojekte imWert von rund zwei Millio­ nen Euro zur Verfügung. Doch wenn die IT an ihre Leistungs­ grenzen stößt, leidet die Arbeit im LKA. „Letzte Woche ging bei uns der Speicherplatz aus, nichts ging mehr“, so Fauser. Zwar wäre es einfach gewesen, das Volumen durch die Landes­ behörde erweitern zu lassen. Doch das habe fast eine Woche gedauert, in der drei Leute un­ tätig bleiben mussten. „Die Po­ lizei kauft fehlerhafte Technik. Wenn dann ein Problem ent­ steht, ist es nicht mehr lösbar“, kritisierte Fauser. „Die Leitungs­ geschwindigkeit ist so gering, dass im internen Polizeinetz nichts funktioniert, das gilt nicht nur für Baden-Württem­ berg. Ich kann von morgens bis abends berichten, was schief­ geht“, fasste Fauser als DPolG- Landesbeauftragter für die Kri­ minalpolizei zusammen. „Doch die eigentlichen Probleme will niemand hören.“ Besonderen Wert legte der Erste Kriminalhauptkommissar darauf, Spurensicherung und Cybertechnik als gemeinsame Aufgabe zu betrachten. „Noch vor weniger als zehn Jahren hat bei der Tatortaufnahme keiner dran gedacht, gleichzeitig die Cyberkriminalistik mit zu erledi­ gen. Das muss aber ein Team sein. Man sollte die Studien­ gänge entsprechend verändern, um Leute auszubilden, die IT- Anwendungen bewerten und restaurieren zu können. Wenn ich am Tatort bin, muss ein IT-Spezialist direkt mit dabei sein, wenn wir dies nachträg- lich anfordern müssen, vergeht viel zu viel Zeit.“ br/cri < Auch bei Einführung des Digitalfunks wurden anfangs – nicht nur in Baden-Württemberg – Fehler begangen. © BDBOS/Wilke 28 dbb > dbb magazin | Juni 2021

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