dbb magazin 7-8/2021
dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST Whistleblower brauchen Klarheit Mit dem dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST hat der dbb das Spannungsverhältnis zwischen Transparenz und Geheimhaltung ausgeleuchtet und gezeigt, wie Be schäftigte, aber auch Beamtinnen und Beamte, Missstände aufdecken können, ohne mit ihrem besonderen Status und den damit verbundenen Pflichten in Kon flikt zu geraten. Die digitale Podiumsveranstaltung wurde am 7. Juli 2021 aus dem dbb forum berlin live ins Internet übertragen. „Whistleblower im öffent lichen Dienst benötigen ge ordnete Verfahren mit umfas senden Schutzmechanismen, wenn ihre Meldungen zu Rechtsverstößen auf dem Dienstweg nicht beachtet werden“, betonte der Zweite Vorsitzende des dbb beamten bund und tarifunion, Fried helm Schäfer, in seinem Ein gangsstatement. Daher sei es wichtig, dass die entsprechen den EU-Vorgaben nun zeitnah und umfänglich in Deutsch land umgesetzt werden. „Der Schutzanspruch sollte neben der Meldung von Verstößen gegen das EU-Recht auch bei Meldung von Verstößen gegen deutsches Recht gelten“, machte der dbb Vize deutlich. Zugleich seien die spezifischen Besonderheiten des Berufsbe amtentums in Deutschland zu beachten, so Schäfer weiter. „Dazu gehört, dass zunächst der Dienstweg einzuhalten ist.“ Darüber hinaus müssten jedoch die beamtenrechtlichen Ausnahmetatbestände von der Verschwiegenheitspflicht erweitert werden. Schäfer: „Verantwortungsvolle Hin weisgeber aus den Reihen des öffentlichen Dienstes handeln auch und gerade im Interesse einer rechtmäßigen Staatsver waltung auf allen Ebenen.“ Herold: Spagat zwischen Rechten und Pflichten Dr. Nico Herold, Rechtsexper te für Whistleblowing, erör terte die besondere Rechtsla ge im öffentlichen Dienst mit Blick auf die Meldung von In formationen über Missstände und Rechtsverstöße durch Be schäftigte. Vor allem die in den hergebrachten Grundsät zen des Berufsbeamtentums begründeten Rechtsnormen ergäben ein Spannungsver hältnis zwischen Geheimhal tungsinteresse und Transpa renz für Beamtinnen und Beamte: „Auf der einen Seite haben wir das öffentlich- rechtliche Dienst- und Treue verhältnis gegenüber dem Dienstherrn und damit ver bunden die Loyalitäts- und Verschwiegenheitspflicht. Auf der anderen Seite natür lich unbedingte Verfassungs- und Gesetzestreue, Mei nungs- und Handlungsfreiheit und das Rechtsstaatsprinzip sowie das Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.“ Aus diesem Grundkonflikt der widerstrei tenden beamtenrechtlichen Vorschriften habe sich bislang im rechtlichen Umgang mit „verbeamteten Missstands- Insidern“ eine „Stufentheorie“ etabliert, nach der zunächst der interne Dienstweg einzu halten – „die Remonstrations pflicht heißt nicht umsonst ‚Pflicht‘“, so Herold – und der Gang in die externe Öffent lichkeit zu Strafverfolgungs behörden oder Medien die Ultima Ratio sei. Die Tatsache, dass es in Deutschland kein zentrales Whistleblowing-Gesetz gebe, mache es für Missstandszeu gen und Juristen schwierig, die Lage im jeweiligen Einzelfall richtig einzuschätzen. Insofern biete sich mit der nationalen Umsetzung der Europäischen Whistleblower-Richtlinie eine gute Gelegenheit, einen mög lichst weiten Geltungsbereich und darin auch die beamten rechtlichen Regelungen hand habbar zu gestalten. „Als Be amtin oder Beamter sollte ich in Zukunft möglichst genau wissen, was ich darf, was ich nicht darf und inwiefern ich geschützt bin und gegebenen falls auch Schadensersatz er halte“, unterstrich Herold. Ausdrücklich sprach sich der Jurist für das in der EU-Richtli nie vorgesehene Wahlrecht aus, nach dem die Hinweisge benden zwischen den speziell zuständigen internen und ex ternen Stellen wählen können, die Öffentlichkeit steht ihnen aber auch nach der Richtlinie grundsätzlich erst danach und nur in Ausnahmefällen direkt offen. „Viele Unternehmen und Behörden haben Angst da vor, weil sie glauben, dass In terna künftig wahllos öffent lich gemacht werden. Aber die Empirie belegt, dass das nicht der natürlichen Tendenz ent dbb forum Schäfer: Geordnete Verfahren nötig 10 dbb > dbb magazin | Juli/August 2021
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